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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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verhedderte sich mit den Ärmeln, knöpfte sie hastig zu. Sie stieß mit dem rechten Schienbein gegen die Platte des Couchtischs, der Schmerz war so heftig, dass ihr die Tränen in die Augen schossen.
    Nicht schreien!
    Durch die Tür drang das Geräusch von Wasser, das in eine Badewanne floss. Was ist da los? Ella versuchte nachzudenken, während sie in die Jeans stieg, aber die Gedanken überschlugen sich. Wie komme ich hier raus? Wie viele Männer sind da draußen? Haben sie Tori getötet? Wo sind sie? Und wo sind die Schuhe, verdammt, meine Tasche, wo ist meine Tasche?
    Die Männer redeten – zwei, nein, drei Stimmen –, immer noch zu leise. Das Rauschen des Badewassers übertönte sie. Warum taten sie das; wozu benötigten sie Wasser in der Wanne?
    Sie ist tot. Sie hat sich umgebracht. Sie hat ziemlich lange in der Wanne gelegen.
    Vorsichtig bewegte Ella sich zur Tür, lauschte. Dann drückte sie vorsichtig die Klinke, lauschte wieder. Öffnete die Tür einen Spaltbreit und presste ein Auge an den Spalt, um hinauszuspähen. Lauschte wieder. Sie hörte jemanden ächzen, dann Füßescharren. Das Wasser war jetzt lauter und klang, als wäre die Wanne bald voll genug. Sie sah niemanden, nur Schatten, die auf dem Korridorboden fielen, unruhig über die Wand geisterten. Sie versuchte sich zu erinnern: Das Studio befand sich links von ihr, das Badezimmer auch, die Küche schräg gegenüber und die Tür zum Treppenhaus rechts.
    Die Schatten fielen von links in ihr Blickfeld, aber sie wusste nicht, wie viele der Männer dort waren und wo – im Studio, im Badezimmer, in der Küche? Du kannst aus dem Zimmer stürzen, zur Tür rennen und nach draußen, die Treppe runter und Hilfe holen. Mehr kannst du nicht tun.
    Sie öffnete die Tür noch ein Stück und streckte den Kopf hinaus, Millimeter für Millimeter. Im Studio brannte Licht, im Badezimmer auch. Alle Türen standen offen. Im Studio bewegten sich mindestens zwei Männer. Bis zur Wohnungstür waren es ungefähr sieben Meter.
    Aber was ist, wenn unten jemand ist, der im Wagen wartet? Wartet bei solchen Operationen nicht immer jemand im Wagen vor dem Haus?
    Ella schloss die Zimmertür wieder und ging schnell zum Fenster. Sie zog die Vorhänge auf, um hinauszuschauen. Sie erblickte einen finsteren Lichtschacht und, als sie sich vorbeugte, tief unten einen winzigen Hinterhof. Nach oben und unten war die Sicht begrenzt von einer eisernen Feuertreppe. Ella öffnete das Fenster. Dann suchte sie ihre Umhängetasche, legte sie auf die Couchlehne. Sie kehrte zur Tür zurück, öffnete sie erneut und spähte hinaus.
    Der Korridor war noch immer leer, aber das Wasser im Bad lief nicht mehr. Sie schlich zur Wohnungstür und öffnete sie leise so weit, bis die Klinke fast die Wand berührte. Dann versetzte sie ihr einen heftigen Stoß und stürzte zurück ins Schlafzimmer, das sie gerade noch rechtzeitig erreichte, bevor die Wohnungstür mit einem Knall ins Schloss fiel. Sie presste sich im Dunkeln gegen die Wand, ohne die Zimmertür zu schließen. Sie hörte einen der Männer etwas brüllen, das wie ein Fluch klang. Das Licht erlosch, jemand rannte über den Korridor, vorbei am Schlafzimmer, trampelnde Schritte, der Boden bebte leicht, noch jemand, die Wohnungstür wurde aufgerissen, die Schritte lärmten jetzt im Treppenhaus, entfernten sich. Die Tür schlug zu.
    Ella hielt den Atem an. Sie hörte das leise Knistern des Regens draußen vor dem Fenster, aber in der Wohnung hörte sie nichts mehr. Zwei Männer oder drei, dachte sie; mindestens zwei davon sind rausgerannt, vielleicht alle drei. Sie streckte den Kopf in den Korridor hinaus. Alles war dunkel. Nur im Studio sah sie einen rötlichen Schimmer. Die Tür zur Küche stand offen, die zum Bad auch. Geh nicht da raus! Steig aus dem Fenster und hau ab, über die Feuertreppe! Ella trat in den Gang. Kein Geräusch außer dem Trommeln ihres Pulsschlags.
    Sie wandte sich nach links, zum Studio. Es waren nur ein paar Schritte, dann konnte sie durch die offene Tür sehen. Der schwache rote Schimmer rührte von den Stand-by-Lämpchen einer Webcam und eines DVD-Players unter einem großen Flachbild-Fernseher. In ihrem Schein erkannte Ella den schwarzen Schlund des großen runden Bettes, der im Begriff schien, eine nackte Frau zu verschlingen. Toris Körper, blass, kaum verhüllt von einem ebenfalls schwarzen Laken, lag reglos auf dem Rücken, beide Arme ausgestreckt. Der Kopf hing über den Rand der Matratze herab, und der Mund stand

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