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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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den Film schicke, aber ich bin nicht mehr dazu gekommen …«
    »Warum wollte sie das?«
    »Weil sie … ich weiß auch nicht … sie hatte das Gefühl, der Teufel wäre irgendwie in ihr Leben getreten …«
    »Im übertragenen Sinn?«
    »Nein, ganz wirklich. Der Leibhaftige, wie sie ihn nannte. Sie hatte das Gefühl, ihre Praxis wäre heimgesucht, so hat sie sich ausgedrückt, und sie selbst wäre …«
    »Besessen?«
    Tori nickte schweigend, und Ella dachte: O Gott, nicht Annika. Es kann nicht sein, dass Anni den Verstand verloren hat. Die Zeiten, wo man glaubte, Epileptiker wären vielleicht besessen, sind doch lang vorbei, und Annika hat das sowieso nie geglaubt, sie war klug und rational, sie war Medizinerin.
    Tori sagte: »Es gab da eine merkwürdige Sache in ihrer Praxis. An einer bestimmten Stelle, da war es immer eiskalt, immer, egal wie stark sie geheizt hat.«
    »Vielleicht hat’s nur gezogen«, sagte Ella, doch sie spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief.
    »Du glaubst nicht, dass sie tot ist, oder?«, fragte Tori. »Dass der Teufel sie mitgenommen hat?«
    »Nein.« Ella überlegte, kam auf einen neuen Gedanken. »Es könnte höchstens sein, dass sie ihren Tod vorgetäuscht hat.« Um für kurze Zeit Ruhe vor ihren Dämonen zu haben.
    »Manche Leute täuschen ihren Tod vor.« Tori nickte. »Ich täusche mein Leben vor.«
    Ella spürte einen Schmerz hinter den Augenlidern. »Hast du schon mal was von der Academy of Solace gehört?«
    »Ja, da war ich Mitglied«, sagte Tori. »Bis Anni gesagt hat, ich dürfte nie wieder mit meinen Freunden dort in Kontakt treten und dass ich meinen Account löschen müsste. Bist du auch bei der Academy?«
    »Nicht mehr«, log Ella, denn in ihrem Kopf überstürzten sich die Gedanken. »Ich habe dich vorhin beobachtet. Als ich dir erzählt habe, dass Markus Wagenbach tot ist, warst du erschrocken, aber nicht wirklich überrascht. Dann hast du gesagt, ich wäre auch in Gefahr und deswegen sollte ich bei dir wohnen. Hast du wirklich auf Annika gehört und …«
    »Wir sind alle in Gefahr«, fiel Tori ihr ins Wort. »Anni hatte Angst. Ich habe es in ihren Augen gesehen. Ich glaube, jeder muss sterben, der mit ihr zu tun hatte. Patienten, Freunde, jeder, der von dem Programm wissen könnte. Es reicht vielleicht schon, wenn er nur davon gehört hat …«
    Ella griff Toris Hand. »Tori, ich muss dir noch etwas sagen: Jemand hat deinen Anruf bei Anni abgehört, deinen und Wagenbachs und wahrscheinlich noch ein paar andere, und ich glaube nicht, dass es Anni war. Ich will dir keine Angst machen, aber Wagenbach …«
    »Ist tot, ich weiß.« Tori nickte. »Es macht nichts. Ich bin auch schon tot, weißt du. Eigentlich bin ich schon lange tot.«

3 8
    Ella erwachte mitten in der Nacht, und einige Sekunden lang wusste sie nicht, wo sie war. Ihr Herz raste. Wo bin ich? Was mache ich hier? Dann fiel ihr alles wieder ein, aber ihr Herz raste weiter. Es spürte, dass etwas nicht stimmte. Ein Geräusch, das sie geweckt hatte, draußen im Gang. Sie lag in der Dunkelheit auf der ausgezogenen Schlafcouch und lauschte. Das Geräusch wiederholte sich, ein leises Knarren. Durch die Vorhänge am Fenster drang kein Licht; nur unter der Tür schimmerte ein heller Streifen. Ein Schatten huschte über den Streifen. Tori geht ins Bad, dachte Ella.
    Dann sah sie den zweiten Schatten. Das Knarren entfernte sich. Kein Dielenbrett, sondern Leder. Niemand geht mit Lederschuhen ins Bad. Noch ein Schatten, der dritte jetzt. Die Helligkeit nahm ab und wieder zu. Sie bewegte sich hin und her, wie der Lichtkegel einer Taschenlampe. Ella richtete sich auf, hielt den Atem an. Was ging da draußen vor sich?
    Sie hielt ihre Armbanduhr dicht an die Augen, versuchte zu erkennen, wie spät es war. 23:37 Uhr. Da, wieder ein Geräusch: ein leises Quietschen, das Scharnier einer Tür. Welche Tür? Die zum Bad? Zur Küche? Zum Studio, in dem Tori schlief? Es musste die Studiotür sein. Jetzt ein anderes Geräusch, ein gedämpfter Schrei, gefolgt von dumpfen Schlägen oder Tritten, von Füßen, die auf eine Matratze trommelten. Eine Männerstimme, auch gedämpft, und eine zweite, die antwortete.
    Ella konnte nicht verstehen, was sie sagten. Vorsichtig, ohne ein Geräusch zu verursachen, stand sie auf, suchte ihre Jeans, die Bluse, die Jacke. Ihr Herz raste weiter, schlug viel zu schnell, trotzdem hörte sie jetzt wieder alles, als wären alle ihre Sinne stärker geworden. Sie fand die Bluse, fuhr hinein,

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