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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Ella fror, denn der Wind hatte gedreht und wehte nun kalt vom Wasser herüber. »Wen Blain gemeint haben könnte – abgesehen vom Teufel? Könnte es jemand von LifeBook sein?«
    »Ein wütender User?«, assistierte Cassidy. »Ein frustrierter Angestellter? Ein desillusionierter Programmierer? Ein enttäuschter Investor? Herrgott, Mann, brauchen Sie eine neue Batterie oder reicht ein Überbrückungskabel, damit Sie endlich anspringen!«
    Gershenson breitete die Hände aus. »Du meine Güte, da gab es natürlich Dutzende, die enttäuscht waren, was die Entwicklung von LifeBook anging, und ein paar hätten auch das Know-how …«
    »Erzählen Sie uns etwas mehr über LifeBook, Professor«, bat Ella. »In den meisten Artikeln über die Entstehung taucht Annikas Name nirgendwo auf, und ich wüsste gern, warum nicht.«
    »Hier?«, rief Gershenson. »Jetzt? Es geht auf Mitternacht zu, mir ist kalt, und ich weiß immer noch nicht, was genau Sie sich von mir eigentlich erwarten!«
    Cassidy fauchte: »Das sagen wir Ihnen, wenn Sie unsere Fragen beantwortet haben, und falls Sie hier nicht reden möchten, können wir auch nach oben zu Ihnen in die Wohnung gehen und bei einem Tässchen Tee aus Ihrem Schwulenporzellan warten, bis Ihnen warm genug ist, um uns …«
    »Nein, das geht nicht«, sagte der Professor hastig. »Außerdem schläft Oliver schon.«
    »Dann kommen Sie mit zu unserem Wagen.« Ella widerstand der Versuchung, seine Hand zu nehmen und ihn hinter sich herzuziehen. »Er steht gleich da vorn, gegenüber von Ihrem Haus. Nur ein paar Minuten. Annika war doch auch Ihre Freundin, nicht nur eine Patientin, oder?«
    Und Sie haben bisher keinen Versuch unternommen, sie zu finden. Können wir Ihnen überhaupt trauen, Professor, oder haben Sie einen Pakt mit dem Teufel geschlossen?
    »Also gut.« Gershenson schlug den Mantelkragen hoch. Der Wind hatte sich gelegt, und sie konnten das Wispern des Regens auf dem Dach der Markthalle hören. Sie gingen zum U-Bahn-Eingang St. Thomas Street, wo der schwach beleuchtete Eiszapfen aus Glas und Stahl ü ber die Dächer ragte. Die Fahrbahnen glänzten jetzt vor Nässe. Als der Professor den Rover sah, fragte er: »Sie nehmen mich doch nicht mit? Sie lassen mich wieder aussteigen, oder?«
    »Keine Sorge, Kenny, alter Knabe.« Cassidy riss dieTür hinten links auf. »Wir sind nicht von der Gestapo.«

5 1
    Der Professor behielt auch im Wagen seinen Hut auf und ließ die Mantelknöpfe geschlossen. DI Cassidy verzichtete darauf, die Innenbeleuchtung einzuschalten, aber das Licht der Straßenlaternen reichte aus, um Ella zu zeigen, dass Gershensons Gesicht fahl und eingefallen wirkte. Er saß zurückgelehnt, steif wie eine makellos gekleidete Schaufensterpuppe. Scharfe Falten zogen sich von den tief in den Höhlen liegenden Augen die Wangen hinunter, und die schroff hervortretenden Knochen unter den Schläfen warfen Schatten. Seine spröden Lippen waren so flach, als wären sie nur aufgemalt. Die weißen Augenbrauen waren buschig, und als er zu reden begann, schimmerten in seinem Mund kleine, fast zierliche Zähne wie aus Elfenbein.
    »Es begann im Krankenhaus«, sagte er, »da, wo Sie sie hingebracht haben, Detective Inspector.«
    »Es war der Teufel«, knurrte Cassidy.
    »Sie sind ein Zyniker, das überrascht mich nicht«, entgegnete der Professor. »Jedenfalls war es dort, wo Annika diesen jungen Praktikanten aus der Protokollabteilung der Deutschen Botschaft kennenlernte, Danny Schmidt, der nach einem Fahrradunfall mit mehreren komplizierten Brüchen auf der Unfallstation lag. Danny verabschiedet sich gerade von dem Traum, der erste Rockstar im Auswärtigen Dienst zu werden, und fing an, sich in Abendkursen zum Programmierer fortzubilden. Noch während des Praktikums wechselte er den Arbeitgeber und nahm einen Job als Software-Entwickler bei einem Start-up-Unternehmen an, dessen Internet-Auftritt er organisierte. Dort machte er die Bekanntschaft eines Finanzinvestors, für den er eine neue Website entwarf. Es handelte sich um die seltene Sorte einer Heuschrecke mit sozialem Gewissen, jemand vom Schlag eines George Soros. Der Mann erklärte sich bereit, die finanziellen Mittel für Dannys erstes eigenes Projekt zur Verfügung zu stellen, eine Non-Profit-Website, mit deren Hilfe Spenden organisiert und sozialen Zwecken zugeführt werden sollten. An diesem Punkt seiner kurzen IT-Karriere war er gerade, als er Annika traf. Bei Annika war erst vor wenigen Tagen der Ausbruch traumabedingter

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