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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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konsumiert oder nutzt das Netz und seine Plattformen – Facebook, Twitter, die ganzen Blogs und Foren – nicht nur, er bewohnt sie. Er lebt in ihnen. Sie haben für ihn das Leben, das wir für wirklich halten, ersetzt. Sein Rad, sein Keil, sein Feuerstein sind Algorithmen. Er wandelt über Algorithmen wie Jesus über das Wasser, und wenn er am anderen Ufer angekommen ist, benutzt er sie nicht mehr, um Vorlieben oder Profile anderer zu berechnen, sondern viel universeller: Sie dienen ihm dazu, für jede Frage aus einer schier unbegrenzt scheinenden Fülle von Antworten die einzige, zu hundert Prozent richtige herauszufiltern.«
    »Für jedes Problem die richtige Lösung, ja?«
    »Und für jede mögliche Tat den richtigen Täter, genau«, ergänzte MacLean. »Es geht nicht um die Trefferquote, sondern darum, was man aus den Treffern macht. Ist wie mit dem Originalrezept von Coca-Cola – das eine Element, auf das es ankommt … Solange wir das nicht isoliert haben, können wir uns Samson nicht vom Hals schaffen.«
    Das Element des Todes, dachte Ella.
    »Er hat Panopticon gesagt«, brüllte Cassidy. »Genau das Wort hat Gershenson gestern Nacht benutzt.«
    »Und was bedeutet das?«, fragte Ella mit einem Stirnrunzeln, denn sie starrte plötzlich auf einen Link zu dem YouTube-Clip Attack of the Mad Medic. Das Video konnte inzwischen schon mehr als tausend Aufrufe vorweisen, hatte aber offenbar auch zu einer Diskussion in verschiedenen Blogs geführt, von denen einige die Authentizität bezweifelten. »Bad Medicin«, hatte ein Blogger namens Eraserhead geschrieben, »Fake Clip« – angeblich wirkte der Angriff des Sanitäters unbeholfen inszeniert und laienhaft gespielt. Ein anderer verwies auf einen Link zu einem ähnlichen Film, der aber inzwischen aus dem Netz entfernt worden war. Wieder jemand anderer wusste mit Sicherheit, dass der angeblich getötete Polizist noch lebte und im Video zu dem neuen Song der Toten Hosen auftrat und dass die Darstellerin der angegriffenen Ärztin die geheime Freundin von Johnny Depp war.
    »Hören Sie überhaupt zu?«, schnappte Cassidy und stellte das Tonband ab.
    »Klar«, sagte Ella. »Sicher.«
    »Das bedeutet, Gershenson und Freund MacLean da unten stehen in irgendeiner Verbindung«, erklärte Cassidy. »Was, wenn unser Professor doch Samson ist? Oder wenigstens weiß, wer es ist? Oder ihn vielleicht kennt, ohne es zu wissen? Wann sind wir mit ihm nochmal verabredet?«
    Wenn Sie weniger trinken würden, hätten Sie das nicht vergessen, DI Cassidy, dachte Ella. »Sieben Uhr heute abend.«
    »Wo?«
    »London Eye.«
    »Warum denn da?«
    »Weil Sie gern Riesenrad fahren?« Ella zuckte mit den Schultern. »Er sagte was von vielen Menschen und beschützt fühlen, und Sie sagten was von abhörsicheren Gondeln …«
    Er schaltete das Richtmikrofon aus, behielt den Wagen auf der Straße aber weiter im Auge. »Wie viele Kliniken haben wir inzwischen, und wo sind sie?«
    »Fünf. Das Royal Hospital in Chelsea, das London Bridge Hospital in Southwark, das St. Thomas in Lambeth, die Highsmith Clinic in Sussex«, zählte Ella auf. Hoffentlich ist sie in einer davon , dachte sie; hoffentlich stimmt meine Theorie überhaupt. Und wenn sie stimmt, lass Anni bei klarem Verstand sein, lieber Gott. Was immer das bedeutet.
    Cassidy nickte, tippte eine Nummer in sein Handy, wartete ein paar Sekunden und sagte dann: »Ich bin’s. Ihr müsst was für mich erledigen. Ein Austin mit drei Personen in der Ambler Road. Das volle Programm … Nein, ich sage euch noch, wann genau … aber bald … Wahrscheinlich, wenn’s dunkel wird … Ja, das war das letzte Mal, danach ist eure Akte … Exakt, alle Verfahren eingestellt … Ach, Moment … hast du noch das Motorboot?« Er hörte kurz zu. »Gut, ich brauche es vielleicht heute Nacht. Bring es zum Eye, bevor ihr hierherkommt. Und danach wartest du beim Boot auf mich, klar?«
    Er unterbrach die Verbindung, sah Ella über die Schulter und klappte seinen eigenen Laptop auf. »Mal sehen, was ich in den Computern vom Yard über verwirrte Frauen finde«, sagte er, und seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass es keine Frau gab, die nicht in diese Kategorie fiel.
    Den Nachmittag verbrachten sie mit weiteren Recherchen. Da es jetzt schon früh dunkel wurde und weil Cassidy kein Licht machte, war der Raum bald nur noch von den Bildschirmen der Computer erhellt.
    Gegen Abend loggte sich Ella noch einmal in ihren eigenen E-Mail-Account ein. Als sie dort keine neuen

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