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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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gesagt, dass sie ihn mitnehmen wollten?« Auch darauf antwortete er nicht, als hätte er alles Interesse an anderen Menschen verloren. Obwohl es dunkel war, konnte Ella auf seinen eingefallenen Wangen Tränen glänzen sehen. Oder Wasserspritzer. Vielleicht waren es nur Wasserspritzer.
    Die Themse war jetzt breiter, und zu beiden Seiten schimmerten nur noch vereinzelt Lichter. Der Mann mit dem Hakenkreuz im Nacken schaltete einen Suchscheinwerfer an und richtete den Lichtkegel auf das linke Ufer. Er streifte über eine Steinmauer, die von Hochwasserspuren geschwärzt war. Flache Wellen liefen auf dem schmalen Kieselstreifen unter der Mauer aus. Zwischen den hin und her wogenden Ästen der Bäume am Ufer blinkte Licht auf und erlosch wieder. Der Scheinwerferkegel erfasste einen Anlegesteg, und der Mann mit dem Hakenkreuz drosselte die Geschwindigkeit, als er darauf zuhielt. Ein Ruck durchlief das Boot; der Kiel streifte knirschend über Kies.
    DI Cassidy klopfte dem Mann auf die Schulter und kletterte über die Reling auf den Steg, wo er Ella winkte. »Nehmen Sie meine Hand, Doc.« Er half ihr von Deck. Dann folgte Gershenson, unsanft gestoßen von dem Mann mit dem Hakenkreuz. Gershenson knickte mit einem Knöchel um, aber Cassidy hielt ihn fest.
    Die Kiesel am Ufer knirschten unter ihren Schuhen, und die Büsche am Ufer raschelten in der kühlen Nachtbrise. Mit gedämpftem Tuckern legte das Boot wieder ab. Cassidy schaltete eine kleine Taschenlampe ein, deren Strahl einen Kiesweg aus der Dunkelheit holte. Die Blätter an den Bäumen glänzten wie feuchtes Blech. Ella spürte, wie sich Kletten an ihren Jeans festhielten. Sie gab sich keine Mühe, besonders leise zu sein, und nach ein paar Minuten ragte das Klinikgebäude vor ihnen auf, gescheckt von unruhig dahinhastenden Wolkenschatten.
    Die Backsteinfassade mit den weiß eingefassten Fenstern erinnerte an ein ländliches Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert. Das grünspanbefallene Kupferdach war mit einem kleinen Türmchen geschmückt, auf dem ein Wetterhahn die Windrichtung anzeigte. Das Metallscharnier unter den Füßen des Hahns kreischte bei jeder Drehung. Aus einigen der vergitterten Fenster im Erdgeschoss fiel gedämpftes Licht; die meisten waren dunkel. Als Ella, Cassidy und Gershenson das Gebäude erreicht hatten, versuchte der Detective Inspector noch einmal, die Telefonzentrale der Klinik zu erreichen, und wieder gab es nur eine elektronische Ansage. »Scheiße!«, flüs terte er.
    Der halb verwilderte Uferweg führte sie um das Gebäude herum auf die breite Zufahrt und dem von zwei Kutscherlaternen beleuchteten Eingang. Plötzlich erklang ein Rascheln hinter einem Buchsbaum an der Mauer, und eine Stimme rief: »W-wer sind Sie? W-w-as wollen Sie?«
    Ella erschrak; sogar Cassidy zuckte zusammen. »Verfluchte Scheiße, wer verdammt nochmal sind Sie ? «, fauchte er und richtete den Strahl seiner Taschenlampe auf den Buchsbaum. Eine Gestalt löste sich aus den Schatten, ein Mann, der jetzt hervortrat und mit leichtem Stottern sagte: »Ich bin Pf-pfleger hier. Gehören Sie zu de-denen da drin?«
    Cassidy hielt dem Pfleger seinen Ausweis entgegen und sagte: »Detective Sergeant Cassidy, Metropolitan Police, und wir gehören nicht zu denen da drin. Was ist hier los?«
    »Gott s-sei D-dank«, sagte der Pfleger. »Wo s-sind Ihre Leute?«
    »Um Himmels willen, hören Sie auf zu stottern!«, sagte Cassidy. »Ich habe keine Leute.«
    Wieso hat er eigentlich keine Leute?, dachte Ella auf einmal. Warum hat er niemanden angerufen und hierherbestellt? Warum sind wir allein hier?
    »I-ich habe es gerade noch ge-geschafft«, stieß der Pfleger her vor. »D-da drin ist – … ich w-weiß nicht, was da drin l-los ist … D-die sind vor zehn Minuten h-hier aufgetaucht, u-und sie hatten die-diese Ausweise, und plötzlich ha-haben d-die Pistolen gezogen, und einer v-von denen …«
    »Wie viele sind es?«, unterbrach Cassidy ihn.
    »D-drei«, sagte der Pfleger. »Ich habe nur d-drei gesehen. Zw-zwei Männer und ein Junge.«
    »Ein Junge?«, fragte Gershenson alarmiert.
    Der Pfleger nickte. »Als sie d-die Pistolen zogen, ko-konnte ich mich g-gerade noch verstecken und dann durch den Keller ab-abhau …«
    »Wo sind sie jetzt?«
    »W-weiß nicht. K-keine Ahnung. Sie haben den Arzt nach der Ge-ge-ge-geschlossenen gefragt, und da sind sie dann hin, u-und einer hat ihm eine Pistole … d-dem Arzt eine Pistole …«
    »Ruhig, Mann«, sagte Cassidy. »Wie heißen

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