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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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sondern nur auf dem Kontinent. Niemals da scheißen, wo man isst, heißt es nicht so? Und der BND war überaus interessiert daran, uns … nun, territorial entgegenzukommen, um hinterher den First Look auf das Ergebnis zu haben, wenn es gewissermaßen in Serie geht. Erhoffen Sie sich von denen also keinen Willkommenstusch!«
    »Es wird also niemand zur Verantwortung gezogen?«, fragt Ella.
    »Zur Verantwortung gezogen? Für was? Von wem?« Montgomery zuckte mit den Schultern. »In den letzten Wochen haben wir uns vor allem darauf beschränkt, potentielle Mitwisser zu neutralisieren. Um das Projekt oder Oliver Gershenson ging es längst nicht mehr. Genau genommen ab dem Moment, in dem Sie aufgetaucht sind und sich mit DI Cassidy verbündet haben. Warum mussten Sie eigentlich so hartnäckig sein und unbedingt versuchen, die Wahrheit herauszufinden?«
    »Weil sie da war«, sagte Ella.

6 4
    Annika saß vorgebeugt im hellen Licht der schwenkbaren Operationsleuchte. Eine Hälfte des OP-Tisches war hochgestellt, um den Rücken der Patientin zu fixieren. Ihre Unterarme waren an kurzen Armlehnen festgeschnallt. Der Kopf ruhte in einer winkelförmigen Mayfield-Halterung, die dafür sorgte, dass die Lage während des Eingriffs stabil blieb. Ein Schlauch führte aus ihrem mit Pflastern verklebten Mund zu einem Respirator, ein weiterer von einer Infusionsnadel in ihrem rechten Unterarm zu einer am Fußende des OP-Tisches hängenden Blutkonserve. Der restliche Körper war mit einem grünen Tuch bedeckt.
    Die Operationsschwester hatte das kurze Haar rund um die Wunde mit einem Elektrorasierer entfernt und die freigelegte Fläche mit braunem Antiseptikum bepinselt. Die Stelle, wo der Splitter eingedrungen war, schimmerte rot wie ein kleiner gezackter Mund an der falschen Stelle. Der Herzschlagverstärker verwandelte die Kontraktionen in der Brust der Patientin in ein hohles, rhythmisches Pochen, das zur Kontrolle ihrer Verfassung während des Eingriffs diente, genau wie der helle Piepton des Herzmonitors und der laufende grüne Leuchtpunkt auf dem Bildschirm des Pulsschreibers.
    Dr. Fleming hatte die Rolle des Anästhesisten übernommen und behielt den leicht zitternden Zeiger des Atemvolumens im Auge, um bei Bedarf den Druck des Sauerstoffs zu steigern oder zu senken. Julian studierte noch einmal die an einer Leuchtwand aufgehängten Tomogramme. Dann ging er zum Waschbecken, trat den Fußhebel und hielt die Hände unter den lauwarmen Wasserstrahl. Drei Minuten lang wusch er sich die Hände – ein Ritual, währenddessen er sich konzentrierte und die genaue Lage des Hämatoms, des Hirnstamms und der Arteria basilaris samt Kleinhirnschlagader vor seinem inneren Auge vergegenwärtigte.
    Ella wusste, dass er jetzt nach und nach alles andere ausblendete und an nichts mehr dachte außer daran, wie er bei dem Eingriff vor gehen wollte. Er hatte ihr erklärt, dass er sich von hinten links in Richtung des Wundkanals nach vorn bis zum Nest der Blutung genau zwi schen Kleinhirn und Hirnstamm arbeiten wollte. Nichts Besonderes, er hatte das schon hundertmal erfolgreich gemacht.
    Außer bei Shirin Abou-Khan, dachte sie. Er kann alles andere ausblenden, aber das nicht.
    Er trocknete sich die Hände an einem sterilen Tuch ab, und eine Sekunde lang schien es, als ob sie zitterten. Ella sah sie zittern, und auf einmal war ihre Kehle wie zugeschnürt; die Lungenflügel schmerzten bei jedem Atemzug. Er fuhr in die bereitliegenden Handschuhe, dann streifte er sich die grüne Gesichtsmaske über Mund und Nase und trat an den OP-Tisch. Er nickte. Alle Leuchtkörper erloschen langsam, bis auf die Operationslampe direkt über dem Tisch.
    Julian streckte die rechte Hand aus. »Skalpell.« Die Papierhaube vor seinem Mund blähte sich. Ella reichte ihm das Messer, dessen Klinge das Licht der OP-Lampe reflektierte. Seine Hand schwebte einen Moment über den im Griff der Mayfield-Klammer schräg nach vorn geneigten Kopf der Patientin, dann schnitt er tief in die Haut an der Hinterseite des Schädels. Er schnitt ungefähr sieben Zentimeter nach unten, bevor er das Skalpell in eine ovale Schale aus rostfreiem Stahl auf dem Instrumentenwagen legte. Die Haut klaffte auseinander. Der Schnitt war erst weiß, füllte sich aber schnell mit Blut. »Kopfschwarten-Clips«, verlangte Julian.
    Ella reichte ihm die Clips, die er benötigte, um die Kopfhaut auf der linken Seite der Inzision abzuklemmen, während sie die rechte übernahm, immer zwei und zwei und ein

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