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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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war wohl der Meinung, noch mehr Schaden könnten wir auch nicht anrichten«, sagte Montgomery, ohne einen Mundwinkel zu verziehen.
    »Jedenfalls nicht mehr, als Sie in letzter Zeit sowieso schon verursacht haben.« Ella öffnete die Tür und ging voran. Auf dem Gang vor der Station saß Professor Gershenson mit geschlossenen Augen auf einer Bank. Sein Kopf war zurückgesunken, die Hände lagen wie zwei offene Schalen rechts und links von seinen Beinen. Seine Knie zitterten. Von allen, die bei der Explosion der Granate im Raum gewesen waren, schien er äußerlich am wenigsten Schaden genommen zu haben – kein Blut, kaum eine Schramme –, und trotzdem wirkte er mehr tot als lebendig. »Legion ist mein Name, denn unser sind viele«, murmelte er.
    »Was sagt er?«, fragte Montgomery.
    »Er zitiert die Bibel«, sagte Ella. »Er ist nur ein alter Mann, der die Bibel zitiert.«
    Gershenson öffnete die Augen, blickte Ella aber nicht an. »Man muss alles vergessen, was man bisher über ihn wusste«, flüsterte er. »Über sein Vorgehen, seine Erscheinungsformen. Es ist eine neue Zeit. Das Netz verändert alles, und wer es beherrscht, dem gehört die Zukunft. Darauf hat er es abgesehen. Dann kann er Einfluss auf die Zukunft der Menschen nehmen und so am Ende doch noch siegen. Dem Bösen auf die Welt helfen, durch Jungen wie Oliver.«
    »Von wem redet er?«, fragte Montgomery.
    »Von einem Freund seines toten Sohnes«, sagte Ella.
    »Er war kein Freund«, der Professor legte eine Hand auf das rechte Knie, »und bestimmt ist es nicht nur mein Sohn gewesen, den er benutzt hat. Oliver ist bloß einer, von dem wir es wissen. Aber wie viele andere er durch das Netzwerk geschaffen hat, wissen wir nicht. Deswegen nennt man ihn ja auch ›Legion‹.«
    »Darüber müssen wir uns später noch unterhalten«, sagte Montgomery.
    »Er ist der Sohn des Morgens, mehr weiß ich nicht.« Gershenson versuchte, mit beiden Händen seine Knie festzuhalten, doch das Zittern ließ sich nicht beherrschen. »Gott hat ihm gestattet, den Geist des Bösen in die Seelen der Menschen einzupflanzen. Können Sie mir sagen, warum er das getan hat?«
    »Ehrlich gesagt, habe ich für heute genug vom Teufel und seinen Plänen«, sagte Ella ungeduldig. »Und was Gott angeht, würde mich vielmehr interessieren, warum er diesen Herrschaften vom Geheimdienst gestattet hat, Ihren Sohn Oliver auch nur eine Sekunde in seinem Wahnsinn zu unterstützen.« Sie wandte sich an Montgomery. »Einen siebzehnjährigen Jungen, der Menschen zu Mördern machen wollte. Wie konnten Sie das tun? Warum haben Sie ihn nicht sofort verhaftet?«
    »Wir sind keine Polizisten«, antwortete Montgomery. »Wir verhaf ten niemanden. Wenn uns ein Fisch ins Netz geht, egal wie groß, essen wir ihn nicht. Wir füttern ihn und setzen ihn bei den noch größeren Fischen aus. Bloß ist er dann unser Fisch. Wir nehmen dazu nicht mal unsere eigenen Netze, sondern beobachten die der anderen. Wir beobachten die Netze und die Teiche und die Fische, und nach und nach versuchen wir, so viele Teiche wie möglich mit unseren Fischen zu unterwandern. Essen wäre dumm. Genau wie Verhaften. Kontraproduktiv. Nur manchmal – äußerst selten – geben wir der Polizei einen Tipp, wenn uns irgendein ganz kleiner, völlig nutzloser Fisch in die Quere kommt. Um unsere Investition zu schützen. Außerdem sah es anfangs ja ganz so aus – also, die Trefferquote war gar nicht so schlecht für ein Programm im Experimentierstadium. Na ja, so oder so haben wir damit nichts mehr zu tun – jetzt, wo Samson tot ist und Delilah wahrscheinlich auch bald. Wenn Sie versuchen sollten, uns auf die Pelle zu rücken, werden Sie feststellen, dass es nie ein solches Programm gegeben hat und auch keine Abteilung, die damit befasst gewesen sein könnte.«
    »Und was ist mit dem toten Agenten im Aufenthaltsraum?«, fragte Ella. »Wie wollen Sie den erklären?«
    »Ach ja, der arme Bridges. Hat schon immer zu Alleingängen geneigt. Ein Einzelgänger. Besessen. Fanatisch. Er und dieser junge Gershenson. Agent Connor hier hat noch versucht, mäßigend auf die beiden einzuwirken.«
    »Können Sie so auch die Beteiligung des deutschen Bundesnachrichtendienstes unter den Teppich kehren?«, fragte Ella.
    »Das müssen wir gar nicht. Immerhin haben die einzigen Anschläge, die bisher halbwegs erfolgreich waren, auf deutschem Boden stattgefunden. Für uns war von vornherein klar, dass wir in der Testphase erst mal nicht auf der Insel operieren,

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