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Nukleus

Nukleus

Titel: Nukleus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Cornelius Fischer
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Menschen, dazu gehört dessen Kollege von der Abteilung für Terrorismus, dazu gehört der Polizeipräsident, und dazu gehört der Innensenator. Von allen Vorschlägen zur Lösung der Krise, die aufgebracht, diskutiert, verworfen und wieder auf den Tisch gelegt worden sind, hat nur einer überlebt, auf den wir uns alle einigen konnten. Als Folge dieses Vorschlags gibt es in den Gängen der Virchow-Klinik jetzt keine Invasion von Sturmtrupps mit Helmen, Schutzwesten und Maschinenpistolen oder als Klinikpersonal und Patienten verkleideten Polizisten, sondern nur ein Großaufgebot an SEK-Leuten, die das ganze Gelände hermetisch abriegeln. Da kommt niemand rein und niemand raus. Genau wie Sascha es verlangt hat. Außerdem verfolgen wir seine Reality-Show live im Internet und warten nur auf den Moment, in dem …«
    »Halil Abou-Khan«, sagte Ella.
    Abdallah verstummte verblüfft. »Was?«
    »In Saschas Livestream habe ich gesehen, dass zwei Männer aus seiner Familie im Krankenhaus sind. Wenn niemand rein oder raus kann, sind sie vielleicht noch da. Vielleicht sind noch mehr da, vielleicht sogar Halil persönlich. Seine Tochter Shirin liegt in der Kinder klinik. Er wird alles tun, um ihr Leben zu beschützen.«
    Wieder schwieg Abdallah. Im Hintergrund konnte Ella Stimmen hören, laut, aufgeregt. Endlich sagte er vorsichtig: »Reden Sie weiter.«
    »Halil und seine Familie erregen keinen Verdacht«, fuhr Ella hastig fort. »Sie sind in den letzten Wochen ununterbrochen dagewesen, um Shirin zu besuchen. Sie gehören praktisch zum Inventar. Vor allem käme Sascha niemals auf den Gedanken, dass sie die Polizei sind …«
    »Das kriege ich hier niemals durch«, sagte Abdallah. »Ich sehe schon das Gesicht meiner Kollegen von der Abteilung Organisierte Kriminalität und Bandendelikte. Von dem des Innensenators ganz zu schweigen. Und ich sehe die Schlagzeilen der Zeitungen: Polizei überträgt Gewaltmonopol auf kriminellen Clan aus Neukölln …«
    »Wenn Halil Abou-Khan und seine Söhne durch die Gänge gehen, ist das wie eine Art Bürgerwehr«, sagte Ella. »Die Behälter mit dem Gas oder den Mykotoxinen sind aller Wahrscheinlichkeit nach überall dort versteckt, wo auch die Kameras aufgebaut sind. Sie brauchen bloß anhand der Blickwinkel vorzugehen und überall da, wo …«
    »Frau Bach, ich finde, Sie fassen das Betätigungsfeld einer Notärztin etwas zu weit …«
    »Lassen Sie mich ausreden«, fiel Ella ihm erneut ins Wort. »Shirin Abou- Khan ist meine Patientin, und es ist mir egal, mit wem ich zusammenarbeiten muss, um ihr Leben zu retten. Also, wollen Sie ihren Vater anrufen oder soll ich das tun?«
    Eine Sekunde war es still am anderen Ende der Verbindung. Dann sagte Abdallah: »Tun Sie das.«
    »Gut, danke. Haben Sie seine Handynummer?«
    »Allah, auch das noch!« Ein paar Sekunden lang hörte sie ihn nur noch hektisch kauen, dann meldete er sich wieder, diesmal fast flüsternd, und gab ihr die Nummer, die sie nach den ersten fünf Ziffern wiedererkannte. Sie unterbrach die Verbindung und rief Shirins Vater an. Das Freizeichen erklang, einmal, zweimal, dreimal, dann meldete sich eine Männerstimme mit einem undefinierbaren Laut.
    »Ist dort Halil Abou-Khan?«, fragte Ella.
    »Ja?«
    »Hier spricht Ella Bach, die Ärztin, die Shirin …«
    »Ja?«
    »Wo sind Sie gerade?«
    »Warum wollen Sie das wissen?«
    »Sind Sie in der Virchow-Klinik?«
    »Ja.«
    »Gut. Ich muss mit Ihnen reden. Es geht um das Leben Ihrer Tochter.«
    Eine Viertelstunde später kehrte Julian in den OP zurück, und auch Ella war – mit frischem Kittel, Mundschutz und keimfreien Handschuhen – wieder an ihrem Platz. Fleming trug gerade den zweiten Halswirbelbogen ab. Die Herzstromkurve verlief noch immer gleichmäßig, der Piepton und das Zischen des Respirators wechselten sich mit dem Herzschlagverstärker ab. Aus dem gezackten Wundmund im Bereich der Einschlagstelle drang glitzernde Gehirnflüssigkeit, die Ella sofort absaugte. Dahinter begann der Kanal.
    »Alles fertig zur Trepanation«, verkündete Fleming.
    Julian nahm Flemings Platz hinter der vorgebeugt sitzenden Patientin ein und rutschte auf den stufenlos regulierbaren OP-Hocker, der fest mit dem Tisch verschraubt war. Er fixierte den Punkt, wo er das erste Bohrloch anlegen wollte, links oberhalb der Einschlagstelle. »Kraniotom!«, verlangte er. Elle reichte ihm den druckluftbetriebenen Bohrer. Das Kraniotom war durch einen kurzen Schlauch mit einem kleinen Wagen verbunden, auf dem

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