Null Bock auf Mr Cock (German Edition)
eine Beziehung über die Ländergrenze hinweg vorstellen könne - wenn ja, dann hätte er mir was zu sagen.
Hey, Mann, haste schon Alzheimer oder was ist, will ich antworten, was soll das, auf das Spielchen lasse ich mich nicht mehr ein.
Er schaltet sein Bild frei, soweit okay, und fügt noch dazu, dass er sich eigentlich nicht als Italiener, sondern eher als Deutscher fühle, sowohl vom Aussehen her als auch vom Temperament. Das empfindet er anscheinend als besonderen Vorzug - mir aber wäre, um ehrlich zu sein, ein temperamentvoller Latin Lover - der mir bei Mondlicht die schönsten Verse gleichsam Catull reimt - weitaus lieber.
Nun ja, man kann nicht alles haben, der Briefwechsel geht also weiter und gedeiht.
Bei weiterem Schriftwechsel mutiert der Latin Lover jedoch immer mehr zum kränklichen, verhätschelten Muttersöhnchen, das noch am Rockzipfel der Mutter zu hängen scheint. Er ist Einzelkind, so kommt bald heraus, sehr häufig von seinen Eltern umgeben, die ihn liebevoll umsorgen.
Oft ist von Krankheiten die Rede, beispielsweise von Gleichgewichtsproblemen und von ständig wiederkehrenden Erkältungen, die er mit Naturarzneien wie Kamille zu kurieren hofft, wie er mir in aller Ausführlichkeit berichtet. Dann wünscht er außerdem von mir Erklärungen zu diversen Naturheilmittelchen, die seine ständigen Erkältungen in Schach halten sollen.
Spaziergänge im Freien sind durchaus möglich, so schreibt er, aber er dürfe auf keinen Fall länger als eine Sekunde in der Kälte stehen bleiben, denn sonst hätte die Grippe ihn gleich wieder eingeholt und umklammere ihn mit festem Griff. Selbst Schal, Mütze und Handschuhe nützten in diesem Fall nichts und versagten kläglich.
Sicherlich, jeder von uns pflegt ab einem gewissen Alter seine Zipperlein, aber eine ausführliche Beschreibung derselbigen in jeder Mail, ist doch zuviel des Guten.
Ich schlage ein baldiges Treffen vor, dem er auch zunächst zustimmt. Dann druckst er aber rum, er müsse sich den Urlaub erst genehmigen lassen, später dann gibt es Ärger in der Firma. Danach verstummt er, zunächst.
Dieses Phänomen ist übrigens ganz charakteristisch für viele Glücksschiff- und auch andere Internetmänner. Erst plaudern sie wie ein Wasserfall, sind dann angeblich auch zu einem Treffen bereit – nur, wenn dieses tatsächlich näher rückt und aktuell wird, bekommen sie urplötzlich kalte Füße.
Sozusagen ein Phänomen männliche Jungfern, die den Mailkontakt einem tatsächlichen Treffen und einer realen Beziehung vorziehen. „Männer“, die nur zum Plaudern und Quatschen im virtuellen Raum aufgelegt sind, für eine richtige Partnerschaft aber gar nicht bereit oder fähig sind. Die sich zieren und winden, und um keine Ausrede verlegen sind, wenn ein Treffen unumgänglich scheint.
Der Reiz des Internets ist für diese Memmen nicht, dass man sich kennenlernt, sondern dass man sich nicht kennenlernt.
Was Alessandro betrifft, so bleibt nur zu hoffen, dass dieses Schätzchen mittlerweile seine Erkältungen auskuriert hat.
Vielleicht hätte ich ihm noch zu einem Kursus zur Überwindung der Schüchternheit raten sollen; nach erfolgreichem Absolvieren des Kurses könnte er bspw. zunächst mit der Bäckereiverkäuferin plaudern, dann das Gespräch auf Frauen im Cafe ausweiten usw.
Und wenn er das alles gemeistert hat - dann kann der Suche nach einer Partnerin nichts mehr im Wege stehen.
Aber diese kleine Geschichte ist noch nicht zu Ende. Denn etwa nach einem Jahr, Sie ahnen es schon, erhalte ich tatsächlich wieder eine Mail von Alessandro.
Und er schreibt, dass ich niemals aus seinen Gedanken verschwunden sei, sondern dass ich während der ganzen langen Zeit stets einen festen Platz in seinem Herzen gehabt habe und dass kein Tag vergangen sei, an dem er sich nicht gewünscht hatte, mich zu sehen. Und er habe mich so sehr vermisst.
Er habe aber große Probleme mit seiner unzuverlässigen Firma gehabt, was ein Treffen unmöglich gemacht habe, weshalb er sehr traurig gewesen sei.
Hier hat wirklich der Teufel seine Großmutter erschlagen, weil er keine Ausrede mehr wusste.
Ich überlege noch, ob ich Alessandro schreiben soll, dass er, wenn er es wirklich gewollt hätte, mich auch hätte treffen können, denn wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.
Und wie heißt es auch so schön? Wenn man etwas will, gibt es Wege. Wenn man etwas nicht will, gibt es Gründe.
Und Probleme, sei es beruflicher oder privater Natur, gibt es ständig,
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