Null Bock auf Mr Cock (German Edition)
Vorneherein einen Stein im Brett bei mir, das ist klar.
Munter plaudert er weiter, dass er bereits diverse Frauen getroffen habe, über Glücksschiff, und heiße Abenteuer erlebt habe, sowie tolle Liebesnächte mit schönen Frauen verbracht und sexuelle Fantasien ausgelebt habe. Aha, denke ich, ein Gentleman genießt und schweigt, so heißt es doch.
Gilt dieses ungeschriebene Gesetz, das aber dennoch eisernes Gebot ist, nicht im Schwitzerland – oder hast nur Du noch nichts davon gehört? Das möchte ich diesen ungehobelten Typen fragen.
Aber er fährt sofort fort, von jüngeren Frauen zu schwärmen, die alle seinem unwiderstehlichen Charme erlegen seien - ich dagegen halte mir den Hörer weit weg vom Ohr, um nicht weiter unfreiwillige Zeugin dieser lebendigen Darstellungen werden zu müssen.
Was haben sich die Frauen nur dabei gedacht, überlege ich fieberhaft. Vermutlich gar nichts, oder vielleicht: Augen zu und durch, und gedacht an Schweizer Schokolade, ans Minarettverbot und an den Rütli-Schwur.
Ich aber will das unschöne Gespräch schnell beenden, und frage ihn hastig nach seiner Nummer, um ihn endlich loszuwerden. Ich rufe zurück, verspreche ich indes eilig, die Finger unter dem Tisch gekreuzt.
Da aber fängt er unmittelbar das Drucksen an, äh, äh, die Nummer. Die habe ich nicht im Kopf, die Nummer - so stottert er - ich habe tausende Nummern im Kopf, nur eben meine eigene nicht. Man ruft sich ja selbst auch nicht an. Schon klar, denke ich mir, ein Verheirateter hat nie eine Nummer, das ist ein Naturgesetz, und selbst ruft er natürlich nur mit unterdrückter Nummer an. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Gruezi, Eidgenosse, das is a Frachheit gsi. Und ich sage ihm noch - sozusagen als Abschiedsgruß - dass alles im Leben teurer wird - nur die Ausreden werden immer billiger.
Und dass man schlechte Menschen an ihren guten Ausreden erkennt.
Mein Gegenüber am Telefon kann ich zwar in diesem Moment nicht sehen - aber seinen geöffneten und erstaunten Mund erahne ich doch.
Philosoph mit Schnarchjob
Dann hätten wir noch Thorsten auf Lager.
Auch Thorsten präsentiert sich bildfrei im Internet. Aber er weckt mein Interesse, da er insofern eine Ausnahmeerscheinung ist, weil er witzig zu schreiben vermag. Seine Schreibe - mal humorvoll, mal scharf pointiert, geistreich – immer findet er die passenden Worte.
Also vereinbaren wir nach kurzer Korrespondenz ein blind date , ganz der Gentleman holt er mich von der Apotheke, in Worms, ab und führt mich in ein lauschiges kleines Lokal. Wie ich ist auch er Vegetarier, also gibt es soweit nichts zu meckern.
Sein Aussehen allerdings entspricht weniger meinem persönlichen Geschmack - schmächtig, hager, blass, Rundrücken, die Schultern nach vorne statt nach hinten gezogen. Die Brille auf der Nase darf hier natürlich nicht fehlen, die Hose aus grünem Cord und ein Karohemd dazu - dieses Erscheinungsbild findet leider nicht meinen Beifall, und die Witzigkeit und Intelligenz seines Wesens können die Augenpest, die sich hier offenbart, leider nicht wettmachen - so traurig es auch sein mag.
Von Hause aus Philosoph, so erzählt er, ist er, irgendwie, bei Opel gelandet, dort hat er nach Abschluss seines brotlosen Studiums eine sichere Bleibe gefunden.
Ein steigender Alkoholpegel im Laufe des Abends lässt ihn Amüsantes über Opel aus dem Nähkästchen plaudern. Mit feuchten Augen und gesenkter Stimme flüstert er mir Vertraulichkeiten über den Tisch zu: Bei Opel liefen nur Pappnasen rum, den ganzen lieben langen Tag gäbe es nichts zu tun und es herrsche gähnende Langeweile, nichts als gähnende Langeweile. Um dieser gähnenden Langeweile zu entkommen und zu entfliehen - und auch als ordentliches Zubrot - beschäftige er sich tagsüber mit den aktuellen Aktienkursen, während der Arbeitszeit natürlich. So studiere er emsig das Auf und das Ab an der Börse, mit Eifer und voller Aufmerksamkeit.
Und so wie er widmeten die meisten Opel-Mitarbeiter - je nach Neigung und Ambitionen - ihre Arbeitszeit einem interessanten Hobby oder einer lukrativen Nebenbeschäftigung.
Er selbst, jetzt redet er sich vollends in Rage, würde eines Tages – er wird immer lauter und setzt das Gespräch mit erhobenen Zeigefinger fort - ein Buch über Opel auf den Markt bringen, das schwöre er mir - in dem er den alltäglichen Wahnsinn und die himmelschreiende Misswirtschaft dieses Unternehmens aufdecken würde. Mit dieser Drohung endet der Abend.
Fortsetzung
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