Null & Nichtig (Daniel & Juliet - eine Liebesgeschichte (Teil 2)) (German Edition)
verschwunden ist?«, fragte ich ihn gespannt, ohne meinen Blick von der Bühne zu abzuwenden, von wo aus Daniel uns beobachtete. Sein Gesichtsausdruck war nichtssagend, aber seine Augen blitzten auf, er war wütend!
Mein Gesprächspartner fuhr leise fort: »Sie kommen nicht aus Boston, sonst wüssten Sie, wovon ich rede. Ihr Freund steht unter Verdacht, meine Nichte brutal gefoltert, vergewaltigt, ermordet und anschließend irgendwo versteckt zu haben. Im letzten Sommer haben Taucher wochenlang im Charles River nach ihr gesucht, aber ohne Erfolg. Sie ist bis heute wie vom Erdboden verschluckt.«
Ich spürte, wie sich die kleinen Härchen in meinem Nacken und an den Armen aufstellten. »Gibt es Beweise, die Mr. Stone damit in Verbindung bringen?«, fragte ich atemlos und wandte mich jetzt doch von der Bühne ab.
»Unsere Familie ist der Überzeugung, dass die Polizei genügend Beweise hat, um ihn festzunehmen. Aber der Staatsanwalt sieht das anders und wie es scheint, warten sie darauf, dass ein weiteres Unglück geschieht, bis sie dieses Schwein endlich aus dem Verkehr ziehen.«
Der Richter, der bis eben die Unterhaltung zwischen uns kommentarlos verfolgt hatte, schaltete sich unvermittelt ein. »Mein lieber Dr. Williamson, Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Fotos, die die Polizei in Mr. Stones Wohnung beschlagnahmt hat, zwar einen Psychiater für mehrere Jahre beschäftigen könnten, aber ansonsten zu nichts zu gebrauchen sind. Ich kann Sie ja gut verstehen, wenn jemand so etwas mit meinen Töchtern oder Enkelinnen machen würde, hätte ich ihn wahrscheinlich längst eigenhändig umgebracht. Aber damit Mr. Stone den Mord an Jeanne nachzuweisen zu wollen, ist nun wirklich abstrus.«
Die Männer sahen mich an. Dann sprach Dr. Williamson wieder. »Juliet, verzeihen Sie uns, wenn wir Ihnen den Abend vermiesen. Aber Sie sollten wissen, dass Daniel Stone ziemlich kranke Vorstellungen davon hat, wie man Frauen behandelt. Sie mögen von seinem Reichtum fasziniert sein, aber glauben Sie mir, den wird er mit Ihnen sowieso nicht teilen. Für ihn sind Sie nur ein Spielzeug, ein Zeitvertreib. Und ich habe gesehen, was er mit den Frauen angestellt hat, die mit ihm zusammen waren. Er liebt es, Menschen zu quälen, ihnen Schmerzen zuzufügen. Sobald er das auch mit Ihnen tut, wird er Sie in der Wohnung einsperren, Sie von ihren Freunden und ihrer Familie trennen, damit niemand Ihre Blutergüsse sieht, oder die Abschürfungen an den Handgelenken, die Würgemale, die Striemen auf Ihrer Haut. Und dann sind Sie ihm völlig ausgeliefert bis Sie so ausgebrannt sind, dass Sie für ihn nichts mehr taugen. Dann sucht er sich ein neues Spielzeug und schmeißt Sie raus - wenn Sie Glück haben. Und wenn nicht, ergeht es Ihnen vielleicht wie meiner Nichte Jeanne.«
Ich tastete instinktiv über die Narben auf meinem Arm. Schaudernd dachte an die Ereignisse in Berlin zurück. Doch Daniel schien dies inzwischen ernsthaft zu bereuen, gab sich die allergrößte Mühe mit mir.
Mrs. Williamson strich ihrem Mann wieder beruhigend über den Unterarm. »John, bitte lass gut sein. Das Mädchen hat genug gehört. Es ist ihr Leben und sie muss selbst wissen, was gut für sie ist.«
An mich gewandt fuhr sie fort: »Miss Walles, bitte glauben Sie mir, Geld ist nicht alles, was zählt im Leben. Mr. Stone mag für Sie aussehen, wie eine gute Partie. Ich kann verstehen, dass man als einfache Tänzerin davon träumt, einen reichen Prinzen zu treffen, ihn zu heiraten und glücklich bis ans Ende aller Tage zu leben. Aber alles Gute hat auch eine Kehrseite. Und Daniel Stone lebt nicht umsonst so abgeschottet und ohne Freunde. Darüber sollten Sie nachdenken, bevor es zu spät ist.«
Ich hatte gebannt zugehört und war gekränkt wegen der Unterstellung, dass ich an Daniels Geld interessiert wäre. Natürlich war mir bewusst, dass er ein sehr reicher Mann war, auch wenn ich keine genaue Vorstellung hatte, wie reich er nun genau war. Geld hatte bislang nie eine Rolle in unserer Beziehung gespielt. Ich dachte kurz daran, meine eigene Herkunft ins Spiel zu bringen und den Eindruck, den die Williamsons von mir hatten, zurechtzurücken. Aber ich verwarf den Gedanken sofort wieder, es war müßig und unerheblich, was diese Leute von mir hielten. Doch ihre Worte über Daniels gestörtes Verhältnis zu Frauen gingen mir nicht aus dem Kopf. Zusammen mit meinen eigenen Erlebnissen ergab sich daraus eine ziemlich traurige Prognose für unsere gemeinsame
Weitere Kostenlose Bücher