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Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Ferber
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Nach einer Weile kam ihm der Verdacht, dass Sheila sich absichtlich Zeit ließ. Wahrscheinlich spekulierte sie darauf, dass Zuspätkommer nicht mehr eingelassen würden. Er war immer noch neugierig, warum sie einen derartigen Groll gegen Luigi Valenti hegte, denn dies war eine Seite an Sheila, die er noch nicht kannte. Schließlich betrat er ihre Kabine und klopfte an die Badezimmertür. »Leben Sie noch?« Gleichzeitig hätte er sich für den dummen Scherz auf die Zunge beißen können. Immerhin waren Eden Philpotts und Judy Kappel vielleicht nicht mehr am Leben. Die Tür wurde von innen aufgerissen. »Da bin ich«, sagte sie, »wie viel Zeit haben wir noch?«
    Er sah auf seine Armbanduhr. »Keine. Es ist exakt 15.30 Uhr. Wir kommen zu spät.«
    Sheila winkte ab, während sie neben ihm über den Korridor eilte. »Ach was, Luigi tritt nie pünktlich auf. Er hasst es, wenn sein großer Auftritt durch Zuspätkommer gestört wird. Deshalb wartet er immer mindestens eine Viertelstunde, bis er endlich vors Publikum tritt, sich scheinheilig für die Verspätung entschuldigt und etwas faselt von wegen Lampenfieber-Attacke, Autogrammjägern, die ihn aufgehalten haben, oder der letzten Konzentration vor dem künstlerischen Auftritt.«
    Der Aufzug wartete bereits mit geöffneter Tür. »Und da machen Sie ihm mit Vergnügen einen Strich durch die Rechnung, stimmt’s?«, sagte James, während er ihr den Vortritt ließ und auf den Berührungssensor drückte, um auf Deck 9 zu fahren.
    Sie sah kampflustig zu ihm hoch. »Finden Sie das kleinlich von mir?«
    Er lächelte. »Ich finde gar nichts.«
    »Sie finden es kleinlich.«
    »Nein, aber Sie versuchen schon wieder, mir einen Strick zu drehen.«
    »Was heißt schon wieder?«
    Der Aufzug kam mit einem lauten »Pling« zum Halten. Noch bevor sich die Türen geöffnet hatten, waren hochfrequente, durchdringende Laute zu hören. Und dann standen Mr Chandan und der kleine Jamie vor ihnen. Das Kind schrie wie am Spieß, von seinen Wangen perlten Tränen. Mr Chandan war mit den Nerven sichtlich am Ende, seine Stirn glänzte nass vor Schweiß. Als Jamie Sheila erkannte, verstummte er und streckte die dünnen Arme nach ihr aus – eine so rührende, sehnsuchtsvolle Geste, dass Sheila prompt wie eine Löwenmutter reagierte, die ihr Junges verteidigt. Sie nahm den Kleinen auf den Arm, streichelte die Tränen von seiner Wange und sah Mr Chandan derart feindselig an, dass der junge Mann unwillkürlich einen Schritt zurückwich.
    »Ich soll sein Kindermädchen für Jamie«, erklärte Mr Chandan. »Anweisung von Mr Watts. Jamie bei Konzert von Mr Valenti sonst stört. Mr Watts will, dass Mutter und Vater von Jamie bei Konzert sind.«
    Sheila überlegte nicht lange. »Wissen Sie was, Mr Chandan? Ich passe so lange auf Jamie auf. Machen Sie sich inzwischen ein paar schöne Stunden. Ich nehme an, Sie können eine Verschnaufpause sehr gut gebrauchen, so wie ich Mr Watts kenne.«
    »Aber ...«, wandte Mr Chandan ein, unsicher, ob er sich von Sheila das Heft aus der Hand nehmen lassen und die Anweisung seines Chefs missachten sollte.
    »Nichts aber«, sagte Sheila resolut. »So wird es gemacht, und keine Sorge, ich regele das mit Mr Watts. Unmöglich, dieser Mann. Was denkt er sich denn, Ihnen Jamie aufzuhalsen. Damit sind Sie doch völlig überfordert.« Sie fuchtelte mit dem freien Arm. »Nun gehen Sie schon, Mr Chandan. Es ist in Ordnung, wirklich.«
    Mr Chandan nickte mit widerstrebendem Gehorsam, doch dann entfernte er sich rasch.
    James sah Sheila an und grinste. »Haben wir also noch mal Glück gehabt, nicht wahr?«
    Sie lächelte. »Nicht wir , mein lieber James. Ich habe Glück gehabt. Sie gehen natürlich zum Konzert, es wäre doch jammerschade, wenn Sie diesen Kunstgenuss verpassen.« Sie kniff Jamie spielerisch in die Nase. »Außerdem brauchen wir beide Onkel James nicht, um uns zu amüsieren, oder?«
    »Sie können sehr unsolidarisch sein, Sheila.«
    Sie sah ihn an. »Nein, im Ernst, James, bitte gehen Sie da hin und sagen Sie Ivy, dass ich mich um ihren Sohn kümmere. Ich wette, sie ist jetzt schon ganz krank vor Sorge beim Gedanken an diesen unfähigen Mr Chandan. Vor allem vor dem Hintergrund, dass hier ständig Leute verschwinden.«
    »Na gut«, gab er nach und beglückwünschte sich insgeheim zu der Idee, Sheila mit einem Peilsender ausgestattetzu haben. So würde er sich unauffällig an ihre Fersen heften können. Sheila sah ihn erstaunt an, während sich die Aufzugtüren

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