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Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Ferber
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Besorgnis kam jetzt auch noch Ärger hinzu. Sheila war immer schon eine von den Kolleginnen gewesen, die technische Gebrauchsanweisungen für überflüssig hielten und das wahllose Herumdrücken auf Knöpfen und Tasten großspurig als Learning by Doing bezeichneten. Was bei Radios noch funktionieren mochte, ging in anderen Bereichen unfehlbarschief. Die IT-Abteilung des SIS hatte ein Lied davon singen können. James hatte die Leute immer für ihre Geduld bewundert. Nur einmal waren einem der IT-Männer die Sicherungen durchgebrannt. Er hatte entnervt »Nicht der PC ist hier das Problem, sondern Sie!« zu Sheila gesagt und sich sogar zu der Bemerkung »Laden Sie sich mal Gehirn runter!« hinreißen lassen. Ein paarmal hatte James den Mann nach dieser Entgleisung noch auf dem Flur gesehen, dann war er verschwunden. Die offizielle Lesart war, er habe selbst gekündigt.
    James lehnte sich kurz über die Reling, blickte auf die schäumende Gischt in der Tiefe und versuchte sich vorzustellen, wie es wäre, dort hinuntergestoßen zu werden. Dann wandte er sich schnell ab und ging am Pool vorbei zum Eiscafé. Der Pool war voll wie immer, nur tummelten sich jetzt weniger Kinder im Becken – am Spätnachmittag dominierte das ältere Publikum. Ein Angestellter, der gerade einen Aufsteller entfernte, der neben dem Eingang zum Eiscafé platziert war, erregte James’ Aufmerksamkeit. Er musterte zuerst den Mann, dann schaute er kurz auf das Plakat, während es an ihm vorbeigetragen wurde. Er hatte das Gefühl, den Mann schon einmal gesehen zu haben. Oder war es das Plakat? Hatte er es vielleicht schon am Morgen, als er mit Joseph Sutcliffe am Pool gesessen hatte, bemerkt, aber nicht richtig wahrgenommen? Eine altmodische Kasperlepuppe war groß darauf abgebildet, und darüber stand in fetter, grellroter Schrift: Der Kasper kommt!, und etwas kleiner darunter: Heute, 16.00 Uhr, Kino neben dem Kinderparadies . James betrat das Eiscafé und sah mit einem Blick, dass Sheila und Jamie nicht dort waren. Er eilte zurück zur Treppe, er würde es ein Stockwerk tiefer versuchen. Dabeiüberlegte er, wo er den Angestellten mit dem Plakat schon einmal gesehen hatte. Nein, am Pool heute Morgen war es nicht gewesen, da hatte eine junge Frau sie bedient. Plötzlich griff er sich an den Kopf. Natürlich, wie dumm, dass er nicht gleich darauf gekommen war. Die Kasperletheater-Vorstellung. Jetzt wusste er, dass er Sheila und Jamie ein Deck tiefer finden würde.

Kapitel 18
    Die Bezeichnung »Kinderparadies«, fand James, war nichts anderes als ein Euphemismus für die Kinderverwahrstätten in Möbelhäusern, die in regelmäßigen Abständen mit gelangweilten Durchsagen wie »Der kleine Gregory möchte aus dem Kinderparadies abgeholt werden« auf sich aufmerksam machten. James hatte einmal den unglücklichen, suchenden Blick eines kleinen Mädchens aufgefangen, das an der Tür eines dieser Kinderparadiese sehnsüchtig auf seine Eltern wartete, und amüsierte sich seitdem über die unfreiwillige Komik der Durchsagen. Jedes Mal, wenn Eltern über Lautsprecher herbeizitiert wurden, war da wieder ein Kind, das es nicht paradiesisch fand, mit wildfremden Kindern auf unbestimmte Zeit in einen grellbunten, lauten Pseudokindergarten gesperrt zu werden. Doch auf der Victory hatte man sich zumindest angestrengt und alles getan, um dem Idealbild von einem Kinderparadies gerecht zu werden. Schließlich hatte die rentnersatte Kreuzfahrt-Branche zunehmend junge Familien im Visier. Die Attraktion des Kinderparadieses auf der Victory – ein großes Kletterlabyrinth mit einer Rutsche, die über zwei Ebenen hinunter in ein buntes Bällebecken führte – war jedoch im Augenblick geschlossen. Ein Schild, das im Eingangsbereich angebracht war, verriet den Grund: Wegen Kasperletheater-Aufführungim Kino geschlossen . Anscheinend gab es zu wenig Kinder an Bord oder zu wenig geschultes Personal, um zusätzlich zur Aufführung auch noch die Aufsicht im Kletterlabyrinth anbieten zu können.
    Vorsichtig, nur einen Spaltbreit, öffnete James die Tür des Kinosaals und fuhr sogleich zurück. Spitze Schreie schlugen ihm entgegen, als würde er ein Schlachthaus betreten. Die Kinder waren so auf die Puppenbühne konzentriert, dass sie den Lichtschein, der jetzt durch die Tür fiel, nicht wahrnahmen. Nur zwei Erwachsene sahen sich um. Eine davon war Sheila, sie saß in der letzten Reihe. Er umarmte sie wie zur Begrüßung von hinten – eine ungewohnt vertrauliche Geste, bei der

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