Null-Null-Siebzig: Agent an Bord: Kriminalroman (German Edition)
etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder.
»Es gibt eine neue Entwicklung«, erklärte James. »Eine Wasserleiche, angespült an der ligurischen Küste. Vermutlich Eden Philpotts. Und es würde mich nicht wundern, wenn auch Miss Kappel auf diese unschöne Weise wieder auftaucht.«
»Oh mein Gott«, sagte Richard. Die charmante Unbekümmertheit eines knapp dreißigjährigen Millionenerben war plötzlich von ihm gewichen. »Haben Sie meine Frau gewarnt?« James nickte. »Oh mein Gott«, wiederholte Richard. Er drehte sich auf dem Absatz um und eilte davon. Als James seinen Arm Richtung Tür ausstreckte, klingelte sein Handy. Erleichtert zog er es aus dem Jackett. Doch es war nicht Jeremy und auch nicht der Kapitän oder der Erste Offizier, sondern David Grenville.
»James«, hörte er die Stimme seines alten Freundes. Er klang heiser. »Es tut mir leid, dass ich mich nicht früher gemeldet habe, ich war im Krankenhaus.«
»Etwas Ernstes?«, fragte James.
»Ach was«, antwortete David, »reine Routine heutzutage.«
James wusste, dass sich hinter dieser Formulierung durchaus eine Bypass- oder Hüftoperation verbergen konnte. David war nie jemand gewesen, der gern über solche Dinge sprach, erst recht nicht, wenn sie ihn selbst betrafen.
»Lass uns nicht über Krankheiten reden«, sagte David. »Du hattest wegen dieses Mannes angerufen, Eden Philpotts. Fehlanzeige, ich habe ihn durch sämtliche Datenbanken geschickt, und er ist nackt wieder rausgekommen. Nichts. Diesen Mann gibt es nicht. Oder sagen wir lieber, diese Identität. Es sei denn, er ist von den Toten wieder auferstanden. Der letzte Mann dieses Namens war Schriftsteller und ist 1960 verstorben. Allerdings schrieb der sich mit zwei ›l‹.«
»Danke, David.«
»Was ist denn mit diesem Kerl? Ein Betrüger?«
»Ja, wahrscheinlich. Aber das ist inzwischen nicht mehr so wichtig.« Und wir haben größere Probleme, setzte er in Gedanken hinzu, hütete sich aber, das laut auszusprechen. Er wollte seinen alten Freund nicht beunruhigen, er konnte momentan ohnehin nichts für ihn tun.
»Warum ist es auf einmal nicht mehr so wichtig?«, hakte David nach. Auch er kannte seinen Freund gut genug, um Tonfall und Pausen bei ihm deuten zu können. »Es ist nicht deine Art, James, mich um etwas zu bitten, das dannplötzlich doch nicht mehr wichtig ist. Da steckt doch sicher mehr dahinter.«
James wechselte in einen scherzhaften Tonfall. »Nun ja, unser Eden Philpotts ist, wenn man so will, in die Fußstapfen dieses Schriftstellers getreten, nicht wahr. Er ist inzwischen ebenfalls verstorben. Danke, David, für deine Hilfe. Schöne Grüße übrigens von Sheila und gute Besserung! Ich muss jetzt Schluss machen, melde mich, sobald wir wieder in London sind.«
»Halt, leg nicht auf!«, hörte er Davids empörte Stimme noch, bevor er das Gespräch wegdrückte.
»David?«, fragte Sheila.
James nickte. »Er hat Eden erfolglos durch sämtliche Datenbanken geschickt. Es gibt keinen lebenden Eden Philpotts mehr. Beziehungsweise, es gab auch schon keinen lebenden Eden Philpotts, bevor unserer zur Wasserleiche wurde. Der Mann Ihrer Mutter war mit falscher Identität unterwegs.«
»Wie ich gedacht hatte. Also war er doch ein Heiratsschwindler«, sagte Sheila. »Rufen Sie David noch einmal an, damit er Judy Kappel ebenfalls checkt. Ich wette, dass ihr Name auch falsch ist.«
»Ja, später, aber erst einmal müssen wir die anderen informieren und vor allem warnen«, sagte James und legte die Hand auf die Türklinke.
Sheila zog ihn aufgeregt zurück. »Warten Sie, James. Ich weiß, wie es gewesen sein könnte. Vergessen wir den Serienkiller. Wie ich von Anfang an vermutet habe: Die Kappel und Eden waren doch ein Liebespaar, sie haben gemeinsame Sache gemacht, um meine Mutter auszunehmen. Doch dann ist die Kappel eifersüchtig geworden, weil zwischenEden und meiner Mutter doch Zuneigung aufgekeimt ist und Eden plötzlich nicht mehr mitspielen wollte. Da hat sie ihren abtrünnigen Geliebten ermordet. Sie selbst versteckt sich irgendwo.«
James sah sie bestimmt an. »Sie mögen Judy Kappel nicht«, stellte er fest.
»Mein Gott, James, selbst wenn es so wäre, darum geht es doch hier nicht. Es geht um Logik. Und es ist logisch, das müssen Sie zugeben.«
»Mag sein«, sagte James zweifelnd. »Aber ich glaube nicht, dass es so war.«
»Ja, ich weiß schon, Ihre Intuition. Wenn Sie mich fragen, Sie hängen an Ihrer Serienkiller-Theorie, weil sie spektakulärer ist. Und weil Sie
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