Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
James. »Ich hatte ja keine Ahnung, dass Sie sich mit kriminellen Techniken auskennen.«
Sheila lächelte. »Das macht der schlechte Umgang, James.«
Kapitel 7
Sheila hatte, wie erwartet, nichts Interessantes in Maddisons Apartment gefunden. Alle Schrankfächer und Schubladen waren bereits sorgfältig ausgeräumt. Unter Maddisons Bett entdeckte sie als einzige Ausbeute eine Stempelkarte der Gastronomie-Kette Carlo’s sowie einen zerknitterten Kassenbon für zwei Flaschen Wein von Tesco. Aus dem Ausflug mit dem Rollator wurde nichts, denn es schüttete immer noch wie aus Kübeln. Sheila und James gingen hinunter in die Empfangshalle, um sich ein Taxi rufen zu lassen. Mrs White und die Schwestern Hideous, die in der Sitzecke ebenfalls auf ein Taxi warteten, musterten Sheila mit unverhohlener Neugier. James war amüsiert, als er das bemerkte. Diese Reaktion auf Sheila war normal. In den sechziger Jahren hatten schlaksige Londoner Mädchen die ersten Miniröcke zur Schau getragen. Sheila hatte sich ihnen angeschlossen und war dem Minirock treu geblieben. Die Mode mochte sich ändern, doch Sheila trug bis heute ausschließlich Röcke oder Kleider, die weit über dem Knie endeten. Dass sie damit in ihrem Alter – sie war inzwischen siebenundsechzig – nicht lächerlich aussah, hatte sie ihrer vitalen Ausstrahlung und dem Umstand zu verdanken, dass ihr Körper unfähig war, auch nur ein Gramm Fett anzusetzen. Von Weitem wirkte sie immer noch wie ein junges Mädchen.
»Scheußliches Wetter«, bemerkte Eleonora Hideous, als die beiden sich zu den Schwestern gesellten.
»Ja, scheußlich«, stimmte ihre Schwester zu. Es entstand eine Pause, in der Edith und Eleonora offensichtlich darauf warteten, Sheila vorgestellt zu werden.
»Ein richtiger Wolkenbruch«, bemerkte Sheila.
»Nicht wahr?«, bestätigte James und spähte durch die Glastür nach draußen. »Ihr Taxi!«, rief er und verbeugte sich leicht. »Ich wünsche Ihnen beiden einen angenehmen Abend.«
»Ihnen und Ihrer Tochter ebenfalls«, sagte Edith mit liebenswürdigem Lächeln.
Sheila strich sich eine Locke aus dem Gesicht. »Wie bissig diese alte Schachtel ist!«
James lächelte. »Wieso? Nehmen Sie es als Kompliment für sich, Sheila.«
Wenig später saßen sie in einem kleinen indischen Restaurant im Nachbarort Battle Abbey. Wenn sie schon mit dem Taxi fuhren, hatte James beschlossen, dann konnten sie auch ein Restaurant nehmen, in dem ihnen mit Sicherheit niemand aus Eaglehurst begegnen würde.
»Sie sollten sich diese ganze Idee aus dem Kopf schlagen«, begann Sheila unverblümt, kaum dass sie ihre Bestellung aufgegeben hatten. »Das ist nichts für Sie, James. Sie jagen einem Hirngespinst hinterher. Und dann all die alten Leute. Am Ende werden Sie selbst noch senil.«
Statt zu antworten, zog James den Zettel mit dem Limerick aus seiner Jacketttasche. Sheilas große braune Augen wurden noch größer, als sie ihn las.
»Wer ist die Katze, wer ist die Maus. Gib acht auf die Falle und find es heraus. Oh, das klingt gar nicht gut. War das für Sie bestimmt?«
James nickte. »Miss Hunt hat den Zettel gefunden, er lag auf meinem Bett.«
»Wer kann ihn dorthin gelegt haben?«
»Zuallererst ist natürlich der Finder verdächtig. Miss Hunt hätte ihn nicht nur finden, sondern auch dorthin legen können. Aber eigentlich traue ich ihr das nicht zu.«
Sheila zog die Augenbrauen hoch. »Ist sie attraktiv?«
»Was wollen Sie damit sagen?«
Sheila lächelte. »Männer trauen attraktiven Frauen selten etwas Böses zu.«
»Ich bitte Sie. Nein, ich denke, dass Miss Hunt nicht besonders tiefgründig ist. Da ist nicht viel mehr als das, was man sieht. Sie ist wie ein offenes Buch.«
»Oder sie versteht es gut, die richtigen Seiten für Sie aufzublättern.«
»Sie sollten mich besser kennen, Sheila.«
»Abgesehen von dieser Miss Hunt, wer könnte es noch gewesen sein?«
»Im Prinzip jeder.«
»Schließen Sie denn Ihre Tür nicht ab?«
»Sicher, aber Sie wissen doch, wie leicht man hier an die Schlüssel kommt. In jedem Stockwerk gibt es diesen kleinen Raum neben dem Aufzug, mit der tapezierten Tür, in dem, ordentlich nach Nummern sortiert, die Ersatzschlüssel für alle Zimmer hängen.«
Der Kellner brachte zwei Martini.
Sheila nippte an ihrem Glas, dann tippte sie mit dem Zeigefinger auf den Zettel. »Das hier ist eine Drohung, James. Ganz klar. Sie sollten nicht länger in Eaglehurst bleiben. Es ist zu gefährlich. In Ihrem Zustand sind Sie
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