Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
wäre. Es hatte alles vor zwei Jahren angefangen, als ihr Mann starb. Alleine wollte sie in der großen Wohnung in Kensington nicht bleiben, und als sie von James erfuhr, dass das Haus neben seinem verkauft werden sollte, griff sie zu. Der Kaufpreis war sehr günstig gewesen, da der dem Garten zugewandte verglaste Anbau des Hauses an einigen Stellen undicht war. Doch statt ein Vermögen für die Sanierung auszugeben, beschloss Sheila, aus der Not eine Tugend zu machen. »Die Natur will hier einziehen, na bitte!«, verkündete sie und besorgte sich einen Stapel Fachbücher aus der Bücherei. Das feuchtwarme Klima und ihre fachkundige Pflege verwandelten den Wintergarten innerhalb eines Sommers in einen Dschungel, in dem sich sogar Schmetterlinge wohl fühlten.
»Ja, natürlich«, sagte Sheila, »aber das Wässern übernimmt morgen der junge O’Brien. Sie wissen schon, er arbeitet drüben in Barcley’s Bank. Hätten Sie es für möglich gehalten, dass das ein ganz naturnaher Bursche ist?«
James musste lächeln bei der Vorstellung, wie der junge Bankangestellte, der jeden Morgen perfekt gekleidet, tadellos rasiert und in eine Wolke aus Rasierwasser gehüllt das Haus verließ, mit dem Gartenschlauch in Sheilas Wintergarten herumspritzte. Sheilas Gabe, anderen Menschen mit der größten Liebenswürdigkeit Dinge abzuverlangen, die ihnen wahrscheinlich nie im Traum eingefallen wären, war phänomenal.
Sheila stand auf und machte ein Gesicht wie der Weihnachtsmann, als sie zur Tür ging. »James, ich habe eine Überraschung mitgebracht!«
Sie öffnete die Tür und holte den Rollator, den sie vor der Türabgestellt hatte, herein. »Ich habe einfach einen neuen für Sie besorgt, die junge Angestellte von Crenshaw’s Sanitätshaus war sehr entgegenkommend. Probieren Sie mal, dieser ist eindeutig besser als der, den Sie vorher hatten!«
Sie schob den Gehwagen vor James’ Sessel und sah ihn herausfordernd an.
James erhob sich und ging ein paar Schritte damit. Ihm fiel nicht der geringste Unterschied auf. Sogar die Farbe war gleich, soweit er sich erinnern konnte. »Viel besser«, log er.
»Sie können lügen, ohne rot zu werden, James! Das Beste kennen Sie doch noch gar nicht. Ich habe eine kleine Spielerei eingebaut. Ich weiß doch, dass Sie solche Dinge lieben!« Sheila zeigte auf die Mitte des Lenkers. »Sehen Sie, hier an der Seite gibt es drei kleine Knöpfe, und wenn Sie da draufdrücken, kommt Reizgas rausgeschossen, entweder nach links, nach rechts oder geradeaus. Jeder Strahl hat eine Reichweite von fünf Metern.«
»Und was mache ich, wenn ein Angreifer von hinten kommt?«
»Ach, James, Sie finden immer gleich ein Haar in der Suppe. Dann drehen Sie sich eben um!«
»Ich wollte Sie doch nur ärgern«, lenkte er ein. »Vielen Dank, Sie haben es geschafft, dass ich dieses Gefährt schon fast in mein Herz geschlossen habe.«
»Sie kennen noch nicht alles«, fuhr Sheila stolz fort. »Sehen Sie dieses kleine Plastikgehäuse hier an der rechten Seite? Wenn Sie es aufklappen und auf den blauen Knopf drücken: Voilà, ein voll funktionsfähiges Navigationsgerät!«
»Mein Gott, hoffentlich stellen mir die anderen hier kein Beinchen vor lauter Neid, wenn sie das sehen«, sagte James. Sheila sah ihn verstimmt an, und er wusste, dass er sich auf dünnem Eis bewegte. »Wissen Sie was?«, schlug er mit seinem charmantesten Lächeln vor, »wir probieren es gleich aus undmachen einen kleinen Spaziergang damit. Ganz in der Nähe gibt es ein italienisches Restaurant. Ich lade Sie ein! Aber während ich die Adresse in das Navi eingebe, könnten Sie mir noch einen großen Gefallen tun und unauffällig im Zimmer von Mr Maddison nachsehen, ob Sie irgendetwas finden, das uns weiterbringt. Das Apartment wird zwar schon geräumt sein, aber man weiß nie. Vielleicht wurde etwas übersehen.«
»Alles klar, wird gemacht!« Sheila krempelte tatendurstig die Ärmel ihrer Bluse hoch. »Ich bin gleich wieder da! Welche Nummer hat sein Apartment?«
»Es ist das Apartment gleich gegenüber. Gehen Sie zuerst zu den Aufzügen. Neben dem alten Aufzug gibt es eine tapezierte Tür, die nicht abgeschlossen ist. In dem kleinen Raum dahinter finden Sie die Schlüssel für alle Zimmer.«
»Als ob ich das nötig hätte!« Sheila griff in ihre Handtasche, zog ein kleines Ledermäppchen heraus und blätterte darin. »Was haben wir denn hier: Visa, American Express, Lambeth-Drugstore, National Trust …«
»Schon gut, schon gut«, sagte
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