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Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Titel: Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Ferber
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Gerald, wie unvorsichtig von Ihnen!« Miss Hunt drückte empört den bereits erloschenen Stumpf der Zigarre in den Aschenbecher. Sie war James im Schlaf aus den Fingern geglitten und hatte ein schwarz gerändertes Loch in den Teppich gefressen. »Das hätte leicht einen Brand geben können! Sie können froh sein, dass ich noch einmal nach Ihnen geschaut habe! Nicht auszudenken, wenn Sie hier in Ihrem eigenen Zimmer erstickt wären. Wissen Sie nicht, wie schnell so etwas geht!«
    »Ich muss eingenickt sein.« James bemühte sich, seine Verärgerung zu verbergen. Er konnte es nicht ausstehen, aus dem Schlaf gerissen zu werden, und er hasste es, wenn andere ihm Vorhaltungen machten.
    »Na, es ist ja noch mal gut gegangen«, sagte Miss Hunt und legte ihm sanft die Hand auf den Unterarm. »Sie sind wahrscheinlich einfach todmüde. Nun aber ins Bett mit Ihnen! Soll ich Ihnen rasch beim Auskleiden helfen?«
    Jetzt hielt James es nicht mehr für nötig, seine Wut zu zügeln. Er sah Miss Hunt mit einem Blick an, der sie schnell zurückweichen ließ und den erwünschten Abstand zwischen ihnen wiederherstellte.
    »Ja, dann gehe ich mal wieder«, sagte sie verlegen.
    James sah auf die Uhr. Zwanzig nach eins. Wenn alles gut ging, würde er um diese Zeit keiner Menschenseele mehr begegnen. Er wartete noch ein paar Minuten, dann öffnete er vorsichtigdie Zimmertür und prüfte die Lage. Auf dem Flur war alles ruhig. Plötzlich drang aus dem Apartment schräg gegenüber ein gedämpftes Stöhnen, und das Notlämpchen neben der Tür leuchtete rot auf. Das musste die Frau mit der Magen-Darm-Infektion sein, von der Miss Hunt gesprochen hatte. James trat zurück und zog die Tür bis auf einen winzigen Spalt zu. Miss Hunt ließ sich Zeit. Sie kam erst nach etwa fünf Minuten, und ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie lieber zum Zahnarzt gegangen wäre, als Mrs Summers Zimmer zu betreten. Das Stöhnen schwoll zu einem vorwurfsvollen Gezeter an und ebbte erst wieder ab, nachdem sie das Apartment betreten und die Tür hinter sich geschlossen hatte. Das war die Gelegenheit! Vom Schwesternzimmer aus hätte Miss Hunt den Aufzug höchstwahrscheinlich gehört und neugierig nachgesehen, wer so spät in der Nacht noch unterwegs war. Aber nun war sie abgelenkt. James ging so schnell er konnte zum Aufzug. Erst jetzt fiel ihm auf, dass die Räder des Rollators quietschten. Endlich, nach einer halben Ewigkeit, ertönte das vertraute »Pling«, und die Türen des Aufzugs öffneten sich mit einem schabenden Geräusch. Es kam ihm vor, als wäre der Aufzug in dieser Nacht noch lauter als sonst, aber er hatte keine andere Wahl. Der Weg über die Treppe war noch zu anstrengend für ihn. Im Erdgeschoss angekommen, durchschnitt das »Pling« des Aufzugs abermals die Stille. Wenn er Glück hatte, blieb er auch hier unten unbemerkt.
    Die Empfangshalle war nur spärlich beleuchtet. James steuerte auf den Salon zu. Als er eintrat, schnupperte er irritiert: Es roch seltsam. Der abgetretene Teppich verströmte einen Grundgeruch aus Muff und Desinfektionsmittel, der James schon bei seiner Ankunft gestört hatte. Aber jetzt mischte sich noch eine feine Duftnote dazu, die ihm sehr vertraut war: Wodka. Er blieb in der Tür stehen und wartete, bis sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten.
    »Mr Gerald! Können Sie auch nicht schlafen?«
    James erkannte die dunkle Silhouette von Julius Peabody, der an der Bar saß und James zu sich winkte. Seine Bewegungen wirkten fahrig. »Kommen Sie, setzen Sie sich und leisten Sie mir Gesellschaft!«
    Als James näher kam, schenkte Mr Peabody ihm ein Glas Wodka ein. »Einen Schluck trinken Sie doch sicher mit mir, Mr Gerald?«
    »Gern.«
    James nahm einen kleinen Schluck, Julius Peabody einen sehr großen. James bemerkte mit einem Anflug von Neid, dass Peabody den natürlichen Sättigungspunkt für Alkohol schon vor einiger Zeit erreicht haben musste. War man an diesem Punkt angelangt, an dem man angenehm beschwipst, aber nicht zu betrunken war, um die Folgen noch absehen zu können, stand man vor der Entscheidung: Aufhören oder Weitertrinken. Peabody hatte sich offensichtlich für das Weitertrinken entschieden und die letzten Regungen von Vernunft und Ekel vor noch mehr Alkohol beiseitegewischt. Er befand sich nun in einem Zustand glückseliger Unbekümmertheit und dösiger Verschmelzung mit dem Augenblick, und jegliche Sorgen, auch darüber, wie er sich morgen fühlen würde, waren weit weggerückt. James erlaubte sich

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