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Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst

Titel: Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlies Ferber
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eine solche Unbekümmertheit nur in köstlichen Momenten des Alleinseins, aber nie in Gesellschaft anderer Menschen. Immerhin, dachte er, hatte die Situation auch ihr Gutes: Noch ein, zwei Gläser, und Julius Peabody würde völlig außer Gefecht gesetzt sein. Dann konnte er endlich in Ruhe den Flügel untersuchen.
    Mr Peabody kicherte. »Wissen Sie, James   – ich darf Sie doch James nennen? Ich heiße Julius. Also, wissen Sie, James, dass Sie seit heute einen Spitznamen haben?«
    »So?«
    Peabody goss großzügig Wodka nach. Es tat James weh, mit anzusehen, wie er die Hälfte verschüttete. Julius hob sein Glas. »Ich finde, darauf sollten wir trinken! Cheers!«
    »Cheers!«, erwiderte James. »Aber Sie haben mir meinen Spitznamen noch nicht verraten.«
    Peabody kicherte wieder. Er leckte an seinem Zeigefinger und malte ein paar Zahlen auf den Tresen. »Was soll das?«, fragte James.
    »Null, null, sieben, null. Null-Null-Siebzig!« Peabody sah James an wie jemand, der nach einem guten Scherz auf das Lachen des anderen wartet.
    »Und?«, fragte James. Peabody gönnte sich einen weiteren Schluck. Sein Gegenüber war anscheinend doch nicht so gewitzt, wie er gedacht hatte.
    »Mrs Simmons hat erzählt, dass Sie früher Geheimagent waren, eine Art 007«, sagte er mit schwerer Zunge. »Na, und dann, dann meinte irgendjemand, dann wären Sie jetzt sozusagen 00 70.   Verstehen Sie? 007   –   00 70!«
    »Wirklich witzig«, lächelte James.
    »Wie alt sind Sie eigentlich?«, fragte Julius neugierig.
    »Siebzig.«
    Julius verschluckte sich fast vor Lachen. »Na sehen Sie, dann stimmt’s ja sogar! Null-Null-Siebzig, das ist gut!«
    James spülte nun doch einen größeren Schluck Wodka herunter. Das Brennen in der Kehle und die wohlige Wärme, die sich augenblicklich in seinem Körper ausbreitete, lenkten ihn vom Anblick der viel zu langen Zähne seines wiehernden Gegenübers ab. Außerdem würde ihm der Alkohol vielleicht helfen, Peabodys heiteren Blick auf die Welt nachzuvollziehen.
    »Stimmt es denn? Waren Sie wirklich beim SIS?«, fragte Julius, nachdem er sich halbwegs beruhigt hatte.
    »Ja.« James machte einen deutlichen Punkt hinter diese Aussage,aber Peabody war zu betrunken, um Feinheiten der Konversation mitzubekommen.
    »Und? Erzählen Sie mal!«
    James zog die Augenbrauen hoch. »Geheim.«
    »Ja natürlich«, prustete Julius und klopfte James auf die Schulter, »wie dumm von mir!«
    Sie tranken wieder ein Glas. Diesmal hatte James eingegossen, für Julius einen sehr großen Schluck, für sich selbst einen kleinen.
    »Cheers, Julius!«
    »Cheers, James!«
    Julius führte das Glas zum Mund, dann besann er sich eines Besseren, stellte es wieder ab und sah James durchdringend an. »Aber eins können Sie mir doch verraten.« Er beugte sich zu James vor, der unwillkürlich zur Seite wich. »Wie ist das so als Geheimagent? Ich stelle mir das unglaublich aufregend vor   – hundertmal aufregender, als es mein Leben als Lehrer gewesen ist!«
    »Da muss ich Sie enttäuschen, Julius. Die meisten Leute machen sich völlig falsche Vorstellungen. Ich bin nicht 007, nicht wahr. Diese Filme haben das Bild ein wenig verzerrt. Ein Job beim SIS ist statistisch betrachtet nicht viel gefährlicher als der eines Dachdeckers.«
    »Haben Sie Ihre Walther PKK noch?« Julius kicherte wieder.
    James lächelte. »Das meinen Sie nicht im Ernst.«
    »Wie sind Sie damit klargekommen, mit der Gefahr? Ich meine, mit dem Gefühl, dass plötzlich Schluss sein kann. Hatten Sie keine Angst zu sterben?«
    »Nein.«
    »Nein? Nie?« Julius sah ihn mit großen Augen an. »Das nehme ich Ihnen nicht ab, James, dass Sie keine Angst haben. Jeder hat Angst.«
    »Da haben Sie vermutlich recht«, sagte James, »aber die Angst zu sterben gehört nicht zu meinen persönlichen Ängsten.«
    »Was dann?«, fragte Julius.
    »Cheers«, sagte James und hob sein Glas. »Lassen Sie uns über Erfreulicheres reden, Julius.«
    Julius starrte James an wie ein Zoobesucher den gefährlichen Tiger. »Sagen Sie, James, haben Sie schon einmal   – getötet?«
    »Ja.«
    »Oh.« Diesmal hatte Peabody den Punkt hinter der Aussage gehört.
    Sie tranken weiter. James schaute auf die Uhr, und eines war klar: Mr Peabody war ein Meister am Glase und konnte weit mehr vertragen, als James für möglich gehalten hatte.
    »Die Schwestern Hideous sind ganz reizend«, wechselte er das Thema. »Gehen Sie oft mit ihnen aus?«
    »Heute das erste Mal«, erzählte Peabody bereitwillig.

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