Null-Null-Siebzig - Operation Eaglehurst
Apparat.
»James, was ist los? Stecken Sie in Schwierigkeiten?«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Stella, es geht mir gut. Aber ich möchte Sie etwas fragen: Sagen Ihnen die Namen Eleonora Hideous, Edith Hideous oder Thomas Maddison etwas?«
»Nein, warum fragen Sie?«
»Das kann ich Ihnen im Moment noch nicht erklären. Existieren noch alte Fotoalben Ihres Vaters?«
»Ja, natürlich. Meine Mutter hat sehr viel fotografiert, vor allem als ich noch klein war. Wir haben ein ganzes Regal voller Familienalben.«
»Gibt es auch Bilder, die Ihren Vater mit Freunden und Bekannten und Ihre Eltern bei gesellschaftlichen Anlässen zeigen?«
»Ich glaube schon, nur hat meine Mutter solche Fotos nicht in unsere Familienalben geklebt, sondern in einem Karton gesammelt.«
»Haben Sie einen Scanner?«
»Ja.«
»Könnten Sie diese Fotos, und zwar möglichst alle, die Sie finden, einscannen und mir per E-Mail zuschicken? Es ist wirklich sehr wichtig.«
»Also doch! Es stimmt etwas nicht mit seinem Tod!«, rief Stella. »Sagen Sie es mir, James!«
»Ja. Ich bin auf der Suche nach einer Spur, und dafür brauche ich die Fotos.«
»Ich weiß nicht, ob wir den Karton mit den Fotos überhaupt noch haben. Vielleicht oben auf dem Speicher.«
»Schicken Sie mir alles, was Sie finden«, bat James. »Briefe, Notizen, Fotos, alles könnte weiterhelfen.«
»Sollen wir nicht besser die Polizei einschalten?«, fragte Stella besorgt.
»Schon passiert«, seufzte James. »Und glauben Sie mir, Stella, das habe ich schon bereut. Inspektor Ruthersford schadet mehr, als dass er nützt.«
»Ruthersford?«, fragte Stella. »Den Namen kenne ich doch!«
»Er ist ein alter Kollege von Ihrem Vater und mir. Und ichschätze, es ist unvermeidlich, dass er morgen wieder hier auftaucht.«
»James, ich bin Ihnen so dankbar, dass Sie das tun, was Sie tun. Es lässt mir keine Ruhe, nicht zu wissen, warum mein Vater nach Hastings gegangen ist. Warum er nichts gesagt hat. Warum er so plötzlich gestorben ist. Aber ich mache mir auch Sorgen um Sie!«
»Das brauchen Sie nicht, wirklich nicht.« James war froh, dass Stella nichts von den jüngsten Entwicklungen wusste. »Sie schicken mir also die Fotos?«
»Ja, ich werde alles, was ich finde, einscannen und Ihnen zumailen. Ich sehe jetzt gleich nach. Und James – danke, dass Sie sich so für meinen Vater einsetzen.«
»Das ist doch das Mindeste, was ich tun kann. William war schließlich mein bester Freund.«
Nachdem er aufgelegt hatte, inspizierte James sein Zimmer. Es gab keinerlei Hinweise, dass hier etwas Ungewöhnliches passiert war, und soweit er sehen konnte, fehlte auch nichts. Er setzte sich in seinen Sessel, um sich beim Rauchen einer Zigarre ein wenig auszuruhen und Kraft zu schöpfen für das, was er als Nächstes vorhatte. Nach einer Weile erhob er sich, ging zu einer Kiste, die er extra gekennzeichnet hatte, holte eine Flasche Famous Grouse heraus und legte sie in den Gitterkorb seines Rollators. Er sah sich nach Whiskygläsern um. Seine eigenen waren noch verpackt, und er wollte nicht extra ins Bad gehen, um sich ein Zahnputzglas zu holen. Er nahm wieder Platz, trank genüsslich zunächst einen kleinen, dann einen größeren Schluck aus der Flasche und sah aus dem Fenster in die Schwärze der Nacht, die nur durch das Scheinwerferlicht gelegentlich vorbeifahrender Autos erhellt wurde. Er dachte an William, während er seine Zigarre rauchte. Ja, er war in der Tatsein bester Freund gewesen, und das, obwohl sie sich in den letzten dreißig Jahren ihrer Freundschaft nur ein Dutzend Mal gesehen hatten. Vielleicht war das überhaupt das Rezept für eine lange Freundschaft: sich nicht so oft zu sehen. Wenn man sich dann traf, wurden die Dinge, die einen störten, nebensächlich, die Freude des Wiedersehens überwog. Es kam keine Langeweile auf, keine Variation ewig gleicher, bedeutungsloser Dialoge und Floskeln, die zwar einem Bedürfnis nach Nähe entspringen, dieses Bedürfnis aber nicht wirklich stillen. James fragte sich, ob William ihn ebenfalls als seinen besten Freund bezeichnet hätte, und ihm wurde klar, wie wenig er über das Leben seines Freundes wusste. William hatte wohl manchmal von seiner Familie gesprochen, aber kaum über seinen Alltag in Schottland. Er war nicht der Typ, der viel über solche Dinge sprach, was James als angenehm empfunden hatte, denn so war die Unterhaltung mit ihm nie ermüdend. James nahm noch einen Schluck, dann schlief er ein.
Kapitel 10
»Mr
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