Null
tun, den er nicht zur Strecke bringen konnte, und er konnte nur machtlos zusehen, wie dieser Gegner sein kleines Mädchen verschlang. Sandy quittierte ihren Dienst beim FBI, um sich um Betsy zu kümmern, während Crowe mit Überstunden versuchte, die finanzielle Lücke auszugleichen. Leider reichte es nicht, egal, wie viel er arbeitete, besonders nachdem er festgestellt hatte, dass seine Krankenversicherungfür viele der experimentellen Behandlungen, die die Ärzte an Betsy ausprobierten, nicht aufkam.
Binnen sechs Monaten hatten sie ihre gesamten Ersparnisse aufgebraucht, doch Betsy war immer noch dem Tod geweiht. Crowe wusste nicht mehr weiter und verlor allmählich den Verstand. Er hätte sich beurlauben lassen sollen, doch weil er das Geld brauchte, meldete er sich stattdessen freiwillig für Sonderschichten.
So kam er an den Fall Duane.
«Big Daddy» Duane hatte sieben Kinder entführt und ermordet. Eine Woche lang hielt er sie gefangen, ehe er sie dann stückchenweise per Post an die trauernden Eltern schickte. Die Medien hatten ihm den Spitznamen «FedEx-Killer» gegeben (sehr zum Verdruss des Frachtunternehmens), und Crowe schwor sich, dass er den Mann auf die eine oder andere Weise zur Strecke bringen würde.
Als Crowe zum Ermittlungsteam stieß, suchten die Beamten gerade nach Bethany O’Neil, einer Sechsjährigen aus Falmouth, Massachusetts, die vier Tage zuvor in einem Park gekidnappt worden war. Die Uhr tickte, und jeder wusste es. Dann kam das erste Erfolgserlebnis: Stephen Chesterfield, einer der Perversen, mit denen Duane häufig online chattete, war bei einer routinemäßigen Razzia auf Pädophile aufgeflogen. Doch auch nach 24 Stunden Verhör konnten die Bundesermittler ihn nicht zum Reden bringen.
Deshalb riefen sie Martin Crowe.
Alle Kameras wurden ausgeschaltet, und Chesterfield wurde hinter einer verschlossenen Tür in einem schalldichten Raum mit Crowe allein gelassen. In dieser Situation, wissend, dass das Leben eines weiteren kleinen Mädchens auf dem Spiel stand, während seine eigene Tochtersterbend im Krankenhaus lag, verlor Crowe schließlich die Beherrschung.
Nach einer Stunde tauchte er mit einem blutverschmierten Zettel auf, auf den Big Daddys Aufenthaltsort gekritzelt war. Die anderen Agenten fragten nicht, was Crowe getan hatte. Sie wollten es nicht wissen. Sie wollten nur Big Daddy schnappen, bevor er begann, die kleine O’Neil per Post an ihre Eltern zu schicken.
Zwei Stunden später stürmten sie durch die Tür der Blockhütte des Pädophilen, eröffneten das Feuer und töteten Big Daddy Duane. Angeblich hatte er ein Gewehr, auch wenn nie eine Waffe gefunden wurde. Während jedoch die Beamten des Einsatzkommandos mit Ruhm überschüttet wurden, wurde Crowe von den Medien in der Luft zerrissen, weil er Chesterfields Bürgerrechte verletzt hatte.
Wäre Chesterfield nur irgendein Krimineller gewesen, hätte man den Vorfall unter den Teppich kehren können. Crowe hatte aber das Pech, dass Chesterfield der Bruder eines Staatsanwaltes war, und als herauskam, dass er geschlagen worden war, musste jemand dafür büßen. Nachdem Fotos von Chesterfields blutigem Gesicht an die Medien durchgesickert waren, verdammten die Schlagzeilen Martin Crowe und machten ihn zum Sündenbock für alles, was im Polizeiapparat nicht stimmte. Die
New York Post
gab ihm einen Spitznamen – «Black Crowe» –, und den wurde er nicht mehr los. Er wurde unverzüglich vom FBI entlassen und unter Anklage gestellt.
Acht Monate später zeigte Crowes Verteidiger in dem Versuch, berechtigten Zweifel an seiner Schuld zu erheben, auf jeden anderen Agenten seiner Dienststelle. Crowe hätte wahrscheinlich die Höchststrafe erhalten – zehn Jahre in einer Bundesstrafanstalt –, wäre nicht die FamilieO’Neil gewesen, die jeden Tag am Prozess teilnahm. Sie saß unmittelbar hinter Crowe, sodass die Geschworenen bei jedem Blick auf den Mann, der angeklagt war, ein Sadist zu sein, auch das hübsche Mädchen sahen, das er gerettet hatte. Die Geschworenen brauchten nur drei Stunden, um zu einem Urteil zu gelangen.
Nicht schuldig.
Trotz des Freispruchs war durch die Belastung des Verfahrens zerstört worden, was noch von seinem Leben übrig geblieben war. Nachdem alles vorbei war, stand Crowe arbeitslos, unversichert, bankrott und so gut wie geschieden da. Das alles wäre schon schlimm genug gewesen, doch es verblasste im Vergleich zu dem, was Betsy durchmachte, die einen aussichtslosen Kampf kämpfte,
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