Null
… nicht allein.» Sie brach in Tränen aus.
«Hey, hey», sagte er sanft. «Alles wird gut, mein Häschen. Ich werde schneller da sein, als du ‹Es ist ein Junge› sagen kannst.»
Sie schniefte leise, ihre Tränen versiegten. «Versprochen?»
«Ich verspreche, dass ich bei dir sein werde und deine Hand halte, wenn dieses Baby auf die Welt kommt.»
«Okay. Ich fahre jetzt ins Krankenhaus. Der Krankenwagen ist hier. Ich liebe dich.»
«Ich liebe dich auch.» Ein kurzes Klicken, dann war sie fort.
Er erinnerte sich an seine letzte Fahrt zum Kreißsaal zwei Jahre zuvor. Er hatte lange arbeiten müssen und es nicht rechtzeitig ins Krankenhaus geschafft. Nicht weiter schlimm, hatte er gedacht. In den ersten paar Stunden gab es sowieso nicht viel zu sehen. Seine Schwester hatte drei Kinder bekommen, und die kürzeste Zeit, die sie in den Wehen lag, waren zwanzig Stunden gewesen. Er hätte nicht gedacht, dass neunzig Minuten etwas ausmachen würden. Aber da hatte er sich getäuscht.
Die Wehen dauerten nicht lange, und das Baby – der kleine Matthew William – wurde tot geboren. Bill hatte sich immer schuldig gefühlt, weil er in diesen ersten Momenten, in denen Jennifer allein im Krankenzimmer gelegen hatte, nicht bei ihr gewesen war. Als er schließlich mit einer Schachtel Zigarren ankam, spuckte sie ihm ins Gesicht.Es hatte sie ein ganzes Jahr Paartherapie gekostet, um zu einem gewissen Anschein von Normalität zurückzukehren. Und drei Monate später hatte sie erfahren, dass sie wieder schwanger war.
Er fragte sich oft, ob es ein Fehler gewesen war, es mit einem weiteren Kind zu versuchen. Der Stress der zweiten Schwangerschaft zerstörte fast ihre Ehe. Aber irgendwie schafften sie es. Er hatte sogar schon unbezahlten Urlaub beantragt, damit er zu Hause sein konnte, wenn es so weit war. Aber wie sagte man immer? Die ausgeklügeltsten Pläne … sind zum Scheitern verurteilt. Oder so ähnlich. Er konnte es nicht glauben. Es sollte nicht auf diese Weise geschehen. Nicht schon wieder.
Er schaute auf seine Uhr und dann auf den Fahrplan. In Trenton würde es einen zwanzigminütigen Halt für die routinemäßige Wartung geben. Außerdem mussten die Vorräte des Speisewagens aufgefüllt werden – weitere zehn Minuten. Was konnte er tun? Nichts. Aber dann dachte er an seine Frau, Jenny, allein in diesem Zimmer … im selben Krankenhaus, in dem sie Matthew verloren hatten.
Bill seufzte. Er wusste, was er zu tun hatte. Es war wert, seinen Job zu verlieren. Er drehte sich um und schloss die Tür. Er schaltete in den höchsten Gang und beschleunigte. Dann nahm er das Mikrophon, holte tief Luft und drückte den Knopf.
Kapitel // 22 //
«Verehrte Fahrgäste, wir bitten um Ihre Aufmerksamkeit. Wir bedauern, Ihnen mitteilen zu müssen, dass dieser Zug ausnahmsweise an den folgenden Bahnhöfen nicht hält: Newark, Metropark, Princeton Junction und Trenton.»
Einige Fahrgäste murrten, fragten sich, was los sei.
«Amtrak bittet um Entschuldigung, wenn Ihnen dadurch Unannehmlichkeiten entstehen. Nächster Halt Thirtieth Street Station, Philadelphia.»
Beim letzten Satz gab es einen kleinen Aufruhr unter den Pendlern, aber Nava schenkte dem keine Beachtung. Ihr war klar, dass es am nächsten Tag höchstens ein paar böse Briefe geben würde, wenn überhaupt. Vielmehr wandte sie ihre Aufmerksamkeit Caine zu, der aus dem Fenster starrte.
«Was haben Sie gemacht?», fragte sie.
Caine sah sie an. «Ich habe keine Ahnung, wovon Sie sprechen.»
«Quatsch», fauchte Nava. «Sie haben das verursacht, stimmt’s?»
«Sie sind ja paranoid», erwiderte Caine.
«Und Sie lügen.»
Caine antwortete nicht. Er sah wieder aus dem Fenster. Sie wusste nicht wie, aber irgendwie hatte
er
das geschehen lassen. Als sie zum ersten Mal Tverskys Theorie über den Laplace’schen Dämon gelesen hatte, hatte Nava nicht daran geglaubt. Nicht ernsthaft. Deshalb war sie so schnell bereit gewesen, Julia an die RDEI zu übergeben.
Bei dem Gedanken an die Nordkoreaner und das Kopfgeld, das jetzt bestimmt auf sie ausgesetzt war, weil sie sich ihnen widersetzt hatte, wurde ihr ganz anders. Sie versuchte, nicht an die eigene verzweifelte Lage zu denken, und wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Mann neben sich zu. Nava hielt es für möglich, dass er gewisse paranormale Fähigkeiten besaß. Aber dennoch … Es war ein Unterschied, ob man die Zukunft vorhersagen oder ob man sie lenken konnte.
Trotzdem: Der Umstand, dass der Zug bis
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