Null
drehte sich im Bett um und sah an die Decke, streckte die Arme aus und stellte sich vor, er läge neben ihr.
Wie wäre es, in seinen Armen zu erwachen? Sie konnten es morgens miteinander treiben, und dann würde sie ihm das Frühstück im Bett servieren. Wenn er dann seinen Morgenkaffee getrunken hatte (mit Milch, ohne Zucker), würden sie es noch einmal tun. Sie streichelte sich die Innenseite der Schenkel, und eine wohlige Wärme breitete sich in ihr aus.
Zum ersten Mal im Leben war Julia glücklich. Als sie sich mit den Fingern über den nackten Bauch fuhr, fing ihre Armbanduhr an zu piepen. Ohne zu zögern sprang sie aus dem Bett und lief ins Badezimmer, wo sie ihre Tabletten aufbewahrte. Der durchsichtige Behälter trug kein Etikett; Petey wollte nicht, dass man die Pillen mit seinem Labor in Verbindung bringen konnte.
«
Pille- Grille-Stille-Wille
», sagte sie und lachte über den Nonsensreim, als sie zwei der Fünfzig-Milligramm-Tabletten nahm. Sie ertappte sich in letzter Zeit oft dabei, dass sie Reime bildete. Sie konnte sich nicht so ganz erklären, woran es lag, aber aus irgendeinem Grund fand sie es wahnsinnig komisch. Dummerweise fand Petey kein Vergnügen daran. Als sie das erste Mal nach dem Sex angefangen hatte zu reimen, hatte sie gespürt, wie sich sein ganzer Körper versteift hatte – und zwar auf ungute Weise. Wenn es ihn störte, würde sie damit aufhören. Das spielte alles keine Rolle, solange er nur glücklich war.
Sie legte den Kopf in den Nacken und schluckte die beiden Tabletten, spülte sie dann mit einem Glas Wasser hinunter. Sie hinterließen immer einen bitteren, kalkigen Nachgeschmack. Der war aber längst nicht so schlimmwie der Gestank. Dieser Gestank hatte ihr zunächst einen Schrecken eingejagt, aber Petey hatte gesagt, es sei nur eine kleine neurologische Nebenwirkung, nichts, weshalb man sich Sorgen machen müsse. Also dachte sie nicht mehr daran.
Denn Petey würde sie ja schließlich niemals belügen.
Am nächsten Morgen sahen die Dinge nicht besser aus. Als Nava den schrillenden Wecker abstellte, wurde ihr klar, dass sie so nicht weitermachen konnte. Seit über sechs Jahren verkaufte sie nun schon gänzlich ungestört amerikanische Geheimnisse an ausländische Regierungen, aber die Ereignisse der vergangenen Nacht hatten sie aufgerüttelt. Irgendwann würde man sie entweder einbuchten oder umbringen – es war nur noch eine Frage der Zeit.
Wäre sie bereit gewesen, ihre CI A-Kollegen zu verraten oder Waffengeheimnisse zu verkaufen, dann hätte sie längst schon auf einer tropischen Insel leben können, aber vor diesen beiden Dingen scheute sie zurück. Nava verkaufte nur Informationen, von denen sie glaubte, man könne damit entweder Leben retten oder für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen. Ob es um Aufenthaltsorte palästinensischer Terroristen für den israelischen Mossad ging oder um Satellitenfotos der Tschechischen Republik für die österreichische Spionageabwehr, spielte keine Rolle. Sie schuldete keinem Vaterland Loyalität.
Der gestrige Zahltag war ihr bisher größter gewesen, das Ergebnis von über acht Monaten Arbeit. Sie hatte nun insgesamt anderthalb Millionen Dollar auf ihrem Konto auf den Cayman-Inseln. Das reichte noch nicht, um wie eine Königin zu leben, aber es war genug für eine Flucht. Sie konnte jederzeit aufbrechen, konnte sich die Papiereeiner ihrer sechs Identitäten schnappen und den nächsten Flieger nach irgendwo nehmen. Binnen 48 Stunden konnte sie von der Bildfläche verschwinden.
Der Gedanke war verlockend, aber sie wusste, dass es so nicht machbar war. Die CIA wäre zwar nicht erfreut darüber, eine Killerin zu verlieren, aber sie glaubte kaum, dass der amerikanische Geheimdienst ihr nachstellen würde. Von der Speznaz der RDEI konnte sie das leider nicht behaupten. Die Nordkoreaner würden sie auf keinen Fall entkommen lassen. Es würde vielleicht Jahre dauern, aber schließlich würden sie sie zur Strecke bringen.
Nein, wegzulaufen war nicht möglich. Sie musste die Informationen über die islamistische Terrorzelle erneut aus den Datenbanken der CIA entwenden und der RDEI übergeben. Erst dann konnte sie verschwinden. Sobald sie mit den Nordkoreanern fertig war, würde sie aus New York verschwinden und ein neues Leben beginnen. Diesen Entschluss hatte sie gerade gefasst, als ihr drahtloser Kommunikator vom Typ Blackberry zu vibrieren begann.
Die Nachrichten glichen einander: Es waren immer nur die Angaben, wann und wo
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