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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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überschlägig nach. Vor ihnen lagen noch gut sechs Stunden Fahrt.
    Draußen vor der großen Windschutzscheibe herrschte wildes, blendendes Schneetreiben in schwarzer Nacht. Der Sturm peitschte große Mengen Schnee hoch und legte die eintönige graue Mondlandschaft des darunterliegenden Permafrostbodens frei. Carradine hatte sämtliche Nebelscheinwerfer eingeschaltet. Trotz seines jovialen Tonfalls bemerkte sie, wie konzentriert er die vor ihnen liegende Landschaft beobachtete und jedem möglichen Hindernis in weitem Bogen auswich.
    Die Fahrerkabine rüttelte und bockte so sehr, dass Penny das Gefühl hatte, ihre Zähne würden sich lockern. Sie fragte sich, wie Sully und Faraday auf der Basis zurechtkamen und ob Marshall inzwischen zurückgekehrt war. Vielleicht hätte sie sich nicht von Sully überreden lassen sollen, mit den anderen zu fahren. Es war genauso ihre Expedition wie die der anderen – sie war nicht nur die Computerspezialistin, sondern hatte ebenfalls wichtige Forschung betrieben, die man nicht einfach aufgeben sollte, nur weil …
    Irgendetwas hatte sich geändert. Sie sah zu Carradine. «Sind wir langsamer geworden?»
    «Jepp.»
    «Warum?»
    «Wir nähern uns dem Lost Hope Lake. Auf dem Eis können wir höchstens fünfundzwanzig Kilometer in der Stunde fahren, auf keinen Fall schneller.»
    «Aber der Wohnwagen hinten ist nicht beheizt. Wir dürfen keine Zeit verlieren.»
    «Lady, hören Sie mir einen Moment zu, okay? Wenn man mit einem Sattelzug über einen zugefrorenen See fährt, entstehtdurch die Erschütterung unter dem Eis eine Welle. Diese Welle folgt uns während der Überquerung. Wenn wir zu schnell fahren, wird sie zu groß und bricht durch das Eis. Wenn das geschieht, versinken wir mit Mann und Maus. Das Eis friert innerhalb von Minuten über uns zusammen, und wir liegen in einem eisigen Grab, das …»
    «Schon gut, schon gut, ich habe verstanden.»
    Weit voraus glitzerte eine ebene Fläche im Licht der Scheinwerfer. Penny Barbour setzte sich auf und spähte aus zusammengekniffenen Augen nervös nach vorn. Eis. Es erstreckte sich vor ihnen, so weit man im Sturm sehen konnte.
    Carradine verlangsamte seine Fahrt noch mehr und schaltete die Gänge herunter, bis der Sattelzug schließlich mit einem Fauchen zum Halten kam. Er griff nach hinten in die Schlafkoje und zog ein Werkzeug heraus, das aussah wie ein schmaler Presslufthammer. «Ich bin gleich wieder da», sagte er und öffnete seine Tür.
    «Aber …», setzte Penny zu einem Protest an.
    Der Trucker sprang auf den Boden hinunter und warf die Tür hinter sich ins Schloss. Penny verstummte. Einen Moment später sah sie ihn wieder, wie er mit dem Presslufthammer über der Schulter ins Licht der Nebelscheinwerfer trat, ein absurder Anblick in seinem dünnen Hawaiihemd. Der Wind hatte nachgelassen, und dichtes Schneetreiben hüllte ihn ein. Sie beobachtete, wie er auf das Eis hinaustrat und sich vielleicht fünfzig Meter vom Ufer entfernte. Dort nahm er das Werkzeug von der Schulter, schaltete es ein und setzte es auf das Eis. Sie erkannte, dass es ein motorbetriebener Eisbohrer war. Es dauerte keine dreißig Sekunden, bis er sich durch die Eisdecke gearbeitet hatte. Carradine schulterte das Werkzeug wieder und kam zum Sattelzug zurück. Er kletterte indie Führerkabine, warf das Werkzeug nach hinten und zog die Tür hinter sich zu. Auf seinen Schultern und in den Haaren klebte eine dünne Schicht Schnee. Aber er grinste breit.
    «Sie sind ein verdammter Trottel, wissen Sie das?», fauchte Penny ihn an. «In so einem dünnen Hemd hinaus in den Sturm zu rennen!»
    «Kälte ist eine Geisteshaltung, weiter nichts.» Er rieb sich die Hände – wegen der Kälte oder vor Aufregung vermochte Penny nicht zu sagen. «Das Eis ist etwas mehr als einen halben Meter dick.»
    «Ist das gut oder nicht?»
    «Das ist gut. Fünfundvierzig Zentimeter sind das Minimum. Dieses Eis hier trägt gut und gerne fünfundzwanzig, wenn nicht dreißig Tonnen.» Er zeigte mit dem Daumen über die Schulter zu dem Werkzeug und kicherte. «Diese Tour ist abenteuerlich, wissen Sie? Richtig primitiv. Kein kontinuierliches Profil, kein Eisradar wie auf der echten Winterstraße. Auf der anderen Seite haben wir auch keine Gewichtsbeschränkungen und keine Dispatcher, die uns auf die Nerven gehen.» Er musterte Penny aufmerksam, dann fuhr er fort.
    «Okay. Ich sage Ihnen jetzt was, damit Sie vorbereitet sind. Fahren auf Eis ist nicht wie das Fahren auf einer normalen Straße.

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