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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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Das Eis verbiegt sich unter dem Truck. Und es macht eine Menge Lärm.»
    «Was?»
    «Sie werden es gleich selbst hören, Lady.» Er löste die Bremse und legte den Gang ein. Der Truck rollte los. «Ich werde uns jetzt auf das Eis bringen. Es ist wichtig, dass wir nicht zu schnell sind, um die Belastung in Grenzen zu halten und es nicht zu überdehnen.»
    «Überdehnen? Nein, das wollen wir bestimmt nicht.» PennyBarbour starrte hinaus auf die scheinbar endlose Eisfläche, die vor ihnen lag. Hatte Carradine allen Ernstes vor, mit seinem Sattelzug über diesen zugefrorenen See zu fahren?
    «Und los geht’s.» Der Truck kroch dem Ufer entgegen. Carradine sah Penny von der Seite an und zwinkerte. «Jetzt dürfen Sie die Daumen drücken, Lady.»
    Sie krochen mit wenig mehr als zehn Stundenkilometern hinaus auf das Eis. Penny Barbour versteifte sich, als sie spürte, wie sie den unebenen Untergrund des Permafrostbodens verließen und auf das nachgebende, knackende und knallende Eis fuhren. Carradines Stirn zeigte tiefe Konzentrationsfalten. Eine Hand hatte er am Lenkrad, die andere am Schalthebel, und der Motor heulte laut, während sie in niedrigem Gang vorwärts krochen. «Ich muss die Drehzahl hoch halten», murmelte er zu Penny. «Dann drehen die Räder nicht so leicht durch.»
    Je weiter sie hinaus auf das Eis kamen, desto deutlicher vernahm Penny ein neues Geräusch – ein leises Knacken und Knistern wie von einer Geschenkverpackung, das plötzlich überall ringsumher war. Penny schluckte schmerzhaft. Sie konnte sich denken, was für ein Geräusch das war: das Eis, das unter dem Gewicht des schweren Sattelzugs protestierte.
    «Wie weit ist es bis zur anderen Seite?», erkundigte sie sich mit heiserer Stimme.
    «Sechs Kilometer», antwortete Carradine, ohne den Blick vom Eis abzuwenden.
    Sie fuhren im Schneckentempo weiter. Das Knacken und Knirschen wurde lauter und lauter. Schnee stob über die Eisfläche und bildete im Licht der Scheinwerfer kleine Wirbel und phantastische Formen. In unregelmäßigen Abständen knallte es dröhnend. Penny biss sich auf die Lippe und zählteim Geist die Minuten. Unvermittelt gierte der Sattelzug seitlich nach rechts. Penny starrte Carradine erschrocken an.
    «Eine Windbö», sagte er lakonisch und lenkte behutsam gegen. «Wir haben keine Traktion hier draußen auf dem Eis.»
    Das Funkgerät zirpte. Penny Barbour nahm das Handstück vom Sender. «Fortnum?»
    «Ja. Was ist das für ein krachender Lärm da draußen? Die Leute hier drin sind ziemlich nervös.»
    Sie überlegte kurz, bevor sie antwortete. «Wir fahren im Moment über eine vereiste Stelle. Es geht in ein paar Minuten wieder vorbei.»
    «Verstanden. Ich sage es weiter.»
    Sie hängte das Handstück wieder auf und wechselte einen Blick mit Carradine.
    Fünf Minuten vergingen, dann zehn. Penny wurde bewusst, dass ihre rechte Hand taub geworden war, so fest umklammerte sie den Haltegriff über der Tür. Das sanfte Nachgeben des Eises und das ständige Knacken und Knallen sorgten für eine so hohe Anspannung, dass sie glaubte durchzudrehen. Der Wind pfiff und heulte. Hin und wieder packte eine Bö den Sattelzug und drückte ihn seitwärts vom Weg ab. Carradine korrigierte immer wieder mit größter Vorsicht das Lenkrad.
    Sie spähte durch die Windschutzscheibe und das Schneetreiben nach vorn. War das schon das Ufer dort in der Ferne? Nein, das war eine dunkle Wand aus eisigen Partikeln, die im Wind wie ein wehender Vorhang hin und her wogte.
    «Eisnebel», erklärte Carradine. «Die Luft kann die Feuchtigkeit nicht mehr halten. Sie kristallisiert aus.»
    Der eigenartige Nebel hüllte den Truck ein wie eine Wolke aus Watte. Die ohnehin schon schlechte Sicht ging auf null zurück.
    «Ich kann überhaupt nichts mehr sehen», sagte Penny. «Fahren Sie langsamer.»
    «Geht nicht», erwiderte Carradine. «Wir dürfen den Schwung nicht verlieren.»
    Völlige Blindheit in Verbindung mit dem Nachgeben des Eises und dem Knallen unter ihnen gaben Penny den Rest. Sie spürte, wie sie vor Angst anfing zu hyperventilieren.
Halt durch, Schätzchen
, sagte sie zu sich selbst.
Nur noch eine oder zwei Minuten, dann ist es vorbei.
    Und dann waren sie durch die Eiswolke hindurch, und Penny konnte die Felsen am anderen Ufer sehen, undeutlich und ganz am Rand der Reichweite der Scheinwerfer. Erleichterung durchflutete sie.
Gott sei Dank!
    Carradine nahm den Blick gerade lange genug vom Eis, um sie anzusehen. «Und?», fragte er mit breitem

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