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Nullpunkt

Nullpunkt

Titel: Nullpunkt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lincoln Child
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über Ultra- und Infraschallwaffen, die imstande sind, Menschen zu betäuben, zu verletzen oder gar zu töten.» Er zuckte die Schultern. «Wer weiß? Vielleicht war diese Art von Forschung der eigentliche Zweck der gesamten Anlage.»
    «Das wäre eine Ironie des Schicksals.» Logan tätschelte den Karren. «Und ist der Apparat jetzt fertig?»
    «Bis auf die Batterien. Sully ist losgezogen, um welche zu holen.»
    «Dann hätten wir also unsere Waffe. Fehlt nur noch das Ziel.»
    «Es gibt keine Garantie, dass es hierherkommt – möglicherweise müssen wir einen Köder finden.»
    «Einen Köder also. Sie meinen, einen von uns.» Logan hielt inne. «Da wäre noch etwas, worüber ich nachgedacht habe. Diese beiden Kreaturen – die, die Sie gefunden haben, und die andere von vor fünfzig Jahren. Halten Sie es für möglich, dass sie verwandt waren?»
    «Gute Frage. Ich habe bis jetzt nur ein kleines Stück von ihr gesehen, durch einen Block trüben Eises. Nach Gonzalez’ Beschreibung scheint es die gleiche Kreatur zu sein wie die von damals, und …»
    «Das meinte ich nicht. Ich meinte, ob sie
Verwandte
waren.»
    Marshall sah den Historiker an. «Sie meinen wie Vater und Kind?»
    Logan nickte. «Oder Mutter und Kind. Voneinander getrennt, dann schockgefroren beim gleichen meteorologischen Ereignis.»
    «Jesses …», murmelte Marshall und schluckte. «Wenn das der Fall ist, können wir nur hoffen, dass das Muttertier nicht herausfindet, was Junior zugestoßen ist.»
    Logan rieb sich mit der Hand über das Kinn. «Wo wir gerade von Junior reden – haben Sie sich eigentlich je gefragt, was genau ihn umgebracht hat?»
    «Sie meinen, es war nicht Elektrizität?»
    «Ganz recht.»
    «Ja. Und ich habe keine Antwort. Sie?»
    «Nein. Allerdings finde ich die Tatsache sehr interessant, dass keine der beiden Kreaturen eines ihrer Opfer gefressen hat.»
    «Wie ich bereits sagte, es ist nicht gestorben. Es beschloss, diese Welt zu verlassen.»
    Das war Usuguk. Er hatte mit untergeschlagenen Beinen in einer Ecke des Studios gesessen, die Rückseite der Hände auf den Knien, und sich so still und reglos verhalten, dass Marshall seine Gegenwart nicht wahrgenommen hatte. Der Tuniq strahlte so viel gelassene, eherne Überzeugung aus, dass Marshall beinahe bereit war, ihm zu glauben.
    «Diese Geschichte, die du mir erzählt hast», sagte er zu dem alten Schamanen. «Über Anataq und die Götter der Dunkelheit. Es war eine sehr beunruhigende Geschichte, selbst für einen Außenseiter wie mich. Deswegen muss ich dich fragen: Wenn du wirklich glaubst, dass wir es hier mit
kurrshuq
zu tun haben – mit einem Verschlinger der Seelen –, warum hast du dich dann einverstanden erklärt, mit mir zurück zur Basis zu kommen?»
    Usuguk sah Marshall an. «Mein Volk glaubt, dass nichts auf der Welt ohne einen Grund geschieht. Die Götter haben ein Schicksal für mich geplant, das bereits am Tag meiner Geburtfestgestanden hat. Als ich ein junger Mann war, führten sie mich weg von meinem Volk – sie führten mich zu diesem Ort in dem Wissen, dass ich mich besinnen und stärker und entschlossener zurückkehren würde als zuvor. Indem ich der Geisterwelt den Rücken zuwandte, nahm ich sie für mich an.»
    Marshall erwiderte den Blick nachdenklich. Dann begriff er. All die Jahre, die der alte Schamane selbst nach traditionellsten Maßstäben seines eigenen Volkes dieses asketische, mönchische, spirituelle Leben gelebt hatte, waren eine Buße dafür, dass er vorübergehend von seinem Glauben abgefallen war. Und die Rückkehr an diesen Ort – an den Ort, an dem er diese Abkehr vollzogen hatte – war Usuguks finaler Akt der Wiedergutmachung.
    «Es tut mir sehr leid, dass es so weit gekommen ist», sagte Marshall. «Ich wollte dich nicht in diese extreme Gefahr bringen.»
    Der alte Tuniq schüttelte den Kopf. «Ich will dir eine Geschichte erzählen. Als ich noch sehr jung war, ein kleines Kind, damals, als mein Volk noch auf die Jagd ging, kam mein Großvater immer mit dem größten Walross nach Hause. Die Menschen wollten sein Geheimnis erfahren, doch er verriet es nie. Eines Tages schließlich, als er ein alter, alter Mann geworden war, weihte er mich ein. Er war auf der Jagd mit seinem Kajak durch die von Eis gesäumten Kanäle nach draußen in den Ozean gepaddelt, erklärte er, dorthin, wo es die tiefen Strömungen gibt. Ich fragte ihn, warum er das getan hätte – warum er sich einer solch extremen Gefahr ausgesetzt hätte, wie du es nennen

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