Nullpunkt
würdest –, nur um den größten Fang zu machen. Er antwortete, dass die Jagd selbst gefährlich sei. Und dann sagte er noch: ‹Wenn man schon vorhat, über dünnes Eis zu laufen, dann kann man genauso gut tanzen.›»
Hinter der Glaswand erklang ein Geräusch, und dann trat Faraday ein, vollbeladen mit elektrischen und mechanischen Bauteilen. «Hier sind Reserveoszillatoren und Potentiometer und so weiter», sagte er mit einem Seitenblick auf den Karren mit der Schallwaffe. «Wo sind die Batterien?»
«Sully ist losgezogen, um welche zu finden», antwortete Marshall.
«Gut. Sobald wir sie haben, können wir mit den Testläufen anfangen und …»
In diesem Moment ertönte im Kontrollraum ein scharfes Knacken und Rauschen. Marshall sah durch die Scheibe. Es war das Funkgerät, das Gonzalez ihnen gegeben hatte. Es stand eingeschaltet auf dem Mischpult.
Das Knacken ertönte erneut.
«Hallo?»
Es war die Stimme von Kari Ekberg.
«Hallo? Kann mich jemand hören?»
Marshall ging rasch in den Kontrollraum, packte das Gerät und drückte den Sendeknopf. «Kari? Hier ist Marshall. Schießen Sie los, was gibt’s?»
«O Gott, helfen Sie mir!»
Ihre Stimme klang abgehackt und schrill, am Rande einer Hysterie.
«Helfen Sie mir, bitte! Dieses Ding … es hat Emilio erwischt. Es hat ihn hochgeworfen und … und … und es …»
«Kari! Beruhigen Sie sich!» Marshall versuchte, in vernünftigem, beruhigendem Tonfall zu sprechen. «Als Erstes möchte ich, dass Sie mir sagen, wo Sie jetzt sind.»
Er hörte eine Reihe panischer Atemzüge.
«Ich bin … o Gott … ich bin in der Eingangshalle, neben der Wachstation.»
Logan und Faraday kamen aus dem Tonstudio herbeigerannt und stellten sich rechts und links neben Marshall, um mitzuhören. «Okay», sagte Marshall in das Mikrophon. «Haben Sie eine Taschenlampe?»
«Nein.»
«Dann gehen Sie die Treppe hinunter zur Offiziersmesse. Dort finden Sie Taschenlampen und Waffen. Wissen Sie, wie man eine Pistole benutzt?»
«Nein.»
«Keine Sorge, das ist nicht weiter schlimm. Gut. Ich möchte, dass Sie sofort losgehen. Melden Sie sich wieder bei mir, sobald Sie dort sind.»
«Es wird mich holen. Es wird mich holen, ich weiß, dass es mich holen wird. Sobald es fertig ist mit Emilio. Es wird mich holen, und es wird … es wird … es wird …»
«Kari, ich komme zu Ihnen. Ich komme Sie holen. Bleiben Sie ruhig. Verlieren Sie nicht den Kopf. Und verlieren Sie vor allen Dingen nicht dieses Funkgerät!»
Ein weiteres Knacken ertönte, dann verstummte das Gerät.
Marshall sah Faraday an. «Suchen Sie Sully. Helfen Sie ihm mit den Batterien. Sobald Sie fertig sind, rollen Sie die Schallwaffe nach draußen, in den Korridor der E-Ebene . Wir brauchen den wissenschaftlichen Flügel als Rückzugsort, falls unser Plan nicht funktioniert.»
Faraday nickte und verließ den Kontrollraum. Marshall sah zu Logan. «Erinnern Sie sich, was ich vorhin gesagt habe? Sieht so aus, als würde ich selbst den Köder abgeben.» Ohne ein weiteres Wort schob er sich das Funkgerät in die Tasche und rannte nach draußen und in Richtung der massiven Luke, die in die zentrale Sektion der Station führte.
50
Kari stolperte durch den Korridor der C-Ebene . Die Taschenlampe in ihrer Hand war glitschig vom Schweiß. Ihre Schienbeine schmerzten von den heftigen Zusammenstößen mit Vorsprüngen und im Weg stehenden Kisten; ihre Knie waren aufgeschrammt von einem halben Dutzend Stürzen auf harten Beton und Linoleumböden. Gott sei Dank funktionierten das Funkgerät und die Taschenlampe noch. Immer wieder drängten die furchtbaren Bilder in ihre Gedanken: der schreiende Conti, Blut, das in alle Richtungen spritzte wie Wasser aus einem rotierenden Sprinkler. Wieder und wieder musste sie es sich befehlen, wie ein Mantra: Sieh nicht nach hinten. Sieh nicht nach hinten. Sieh dich nicht um.
Sie hatte eine Viertelstunde benötigt, um von der Offiziersmesse hierher zu gelangen. Fünfzehn Minuten reinsten Horrors. Jetzt passierte sie die Wäscherei. Altmodische Waschmaschinen und Trockner standen in schweigenden Reihen unter welligen, zur Reinlichkeit ermahnenden Postern. Als Nächstes kam die Schneiderei: eine Kammer, die kaum groß genug war für einen Arbeitstisch, eine Nähmaschine und eine Schneiderpuppe. Hinter der Schneiderei gabelte sich der Korridor. Kari blieb stehen und hob das Funkgerät an die Lippen. Ihre Hände zitterten so stark, dass sie drei Versuche brauchte, bis sie den Sendeknopf gedrückt
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