Nullzeit
falls es das ist, was Sie beunruhigt«, stellte Florian eisig fest.
»Soviel ich weiß, hat Danchin vor, die bei der Entführung Argouds angewandte Methode zu wiederholen. Man wird Lasalle aus Deutschland herschaffen und ihn irgendwo in Paris festsetzen. Sie werden einen Anruf erhalten - dann werden Sie Lasalle in irgendeinem Lastwagen fest verschnürt vorfinden, irgendwo in einer Seitenstraße. Es wird Ihre Pflicht sein, ihn festzunehmen.«
»Das wäre ein illegaler Akt, Herr Präsident.«
»Keiner von uns wäre direkt beteiligt …«
»Aber wir werden beide Bescheid wissen. Präsident Nixon hat einmal versucht, ein dubioses Spiel zu praktizieren - und Sie sehen ja, was passiert ist …«
»Sie haben Angst, es könnte nicht funktionieren?« verlangte Florian zu wissen.
»Ich habe Angst, es könnte funktionieren …«
Florians Gesichtsausdruck änderte sich plötzlich. Er lehnte
sich in die Petit-point-Stickerei seines Stuhls zurück, legte die Hände aneinander, starrte Grelle fest an und runzelte die Stirn. Die Schreibtischlampe brannte. An der Wand sah man den verzerrten und übergroßen Schatten Florians. »Ich glaube, Sie haben recht«, sagte er leise. »Ich bin von zu vielen Politikern umgeben. Soll ich dieses Papier zerreißen, oder werden Sie das tun?«
Drei Minuten, nachdem Grelle den Raum verlassen hatte, griff Florian zum Telefon und blies das Unternehmen ab. Grelle verließ den Elysée-Palast in einem Zustand der Verblüffung. Als er zum erstenmal von dem Plan zur Entführung Lasalles erfahren hatte, war er der Meinung gewesen, diese Idee sei dem Hirn des verschlagenen Suchets entsprungen. Die Erkenntnis, daß Guy Florian selbst den Plan gebilligt hatte, hatte den Präfekten aus der Fassung gebracht. Das schien nicht zum Charakter des Präsidenten zu passen - oder hatte er dessen Charakter falsch eingeschätzt? Als Grelle wieder in seinem Wagen saß, hatte er eine Eingebung. Er fuhr die Einbahnstraßen um den Elysée-Palast herum entlang und sah die hohe Mauer des Elysée-Gartens an sich vorübergleiten. So gelangte der Präfekt in die Rue des Saussaies. Er betrat das Gebäude der Sûreté und holte sich zwei weitere verstaubte Akten aus der Registratur.
In Mainz wartete Alan Lennox ungeduldig im Hotel Central auf das Erscheinen von Peter Lanz, der ihm die gefälschten französischen Ausweise bringen sollte. Um elf Uhr vormittags rief er die Frankfurter Telefonnummer an, die der BND-Vize ihm gegeben hatte. Der Deutsche nahm sofort den Hörer ab. Er entschuldigte sich für die Verzögerung. »Ich bezweifle, daß die Dokumente, von denen wir sprechen, vor morgen fertig sein werden«, erklärte er. »Wenn Sie mich heute nachmittag um vier wieder anrufen wollen, weiß ich vielleicht schon mehr …«
»Was hält den alten Knaben denn auf?«
»Er ist ein Meister seines Fachs. Er will ein perfektes Produkt haben - und das wollen Sie doch auch.«
»Er soll ja nicht die Mona Lisa fälschen.«
»Aber ein Porträt, das hoffentlich ebenso überzeugend wirkt.
Alan, vertrauen Sie mir …« Lanz legte auf und verzog den Mund. Es mißfiel ihm, den Engländer belügen zu müssen; überdies bezweifelte er, daß ihm das gelungen war. Er war überzeugt, daß Lennox von den Möglichkeiten des BND wußte, französische Blankoausweise zu beschaffen - die der BND auch besaß; der Engländer würde wohl auch vermuten, daß der BND einen Vorrat solcher Papier besaß - was gleichfalls zutraf. Die auf den Namen Jean Bouvier, Reporter, ausgestellten Papiere lagen in diesem Augenblick sogar fix und fertig in Lanz’ Schreibtisch. Lanz wartete nur noch auf die Zustimmung aus dem Kanzleramt, die dem Engländer die Einreise nach Frankreich ermöglichen sollte.
Bundeskanzler Franz Hauser, den Lanz einmal vor der gestrigen Begegnung mit Lennox gesprochen hatte und einmal danach, hatte sich noch immer keine Meinung darüber gebildet, ob es klug sein würde, sich auf diese Weise in die inneren Angelegenheiten des wichtigsten Bündnispartners der Bundesrepublik einzumischen. »Wenn dieser Engländer geschnappt wird - und redet -, wird Paris uns in der Luft zerreißen«, hatte Hauser zu Lanz gesagt. »Geben Sie mir ein paar Stunden, um die Sache zu überdenken. Morgen abend werde ich mich entschieden haben. Vielleicht geschieht etwas, was mir die Entscheidung abnimmt …«
An dem Abend, an dem Franz Hauser seine Entscheidung traf, hielt Guy Florian in Lille seine heftige antiamerikanische Rede. Wie
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