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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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müssen und den Leuten eine Geschichte erzählen, damit sie nicht nervös werden. Gibt es sonst noch etwas? Diese Beobachtung soll doch wohl dazu dienen, festzustellen, ob einer von beiden - Danchin oder Blanc - irgendwelche Verbindungen zu den Sowjets hat?«
    »Genau. Und, ja, da ist noch etwas, etwas was einer Strafe gleichkommt.« Grelle zeigte auf die beiden Handkoffer. »Ich habe mir gestern abend ganze Stapel alter Sûreté-Akten aus der Kriegszeit besorgt. Sie nehmen den einen Koffer, ich den anderen. Ich glaube, irgendwo in diesen Aktenstößen werden wir einen Hinweis darauf finden, wo sowohl Danchin wie Blanc sich während des Krieges aufgehalten haben - denn die Lösung dieser Leoparden-Affäre liegt irgendwo in der Vergangenheit. Wenn einer dieser Männer sich 1944 in einer Region aufgehalten hat, die weit vom Lozère entfernt ist - wo der Leopard operierte -, können wir ihn ausschließen.«
    Boisseau nahm einen der Handkoffer in sein eigenes Büro mit und berief sofort eine geheime Konferenz ein. Einige besonders zuverlässige Detektive der Police Judiciare wurden abgestellt, um schichtweise zu arbeiten. Sie sollten Roger Danchin und Alain Blanc auf Schritt und Tritt folgen, sobald sie ihr jeweiliges Ministerium verließen. Boisseau wies die ausgewählten Männer persönlich in ihre Aufgabe ein. 
    »Sie arbeiten unter absoluter Geheimhaltung und erstatten nur mir persönlich Bericht. Wir haben Grund zu der Annahme, daß ein Anschlag auf das Leben eines der beiden Minister geplant sein könnte. Ein Zusammenhang dieser Verschwörung mit einem Ereignis der jüngsten Zeit ist durchaus vorstellbar«, vertraute er den Männern geheimnisvoll an.
    »Es kann also sein, daß wir einen neuen Mordanschlag verhindern müssen?« fragte einer der Detektive.
    »Die Sache geht noch tiefer«, erklärte Boisseau. »Die Verschwörung könnte auch noch jemanden gelten, der eng mit Januar oder August zusammenarbeitet …« 
    Boisseau hatte darauf hingewiesen, daß von jetzt an wirkliche Namen nicht mehr benutzt werden dürften. Es wurden folglich Codenamen festgelegt: Januar für Danchin und August für Blanc. 
    »Wir brauchen also«, fuhr Boisseau fort, »ein lückenloses Verzeichnis all derer, mit denen diese beiden Männer außerhalb der Ministerien verkehren. Einer ihrer sogenannten Freunde könnte der Mann sein, den wir suchen - vielleicht ist es aber auch eine Frau …« Am späten Nachmittag war die Aktion bereits angelaufen.
    Grelle stimmte später den von Boisseau getroffenen Maßnahmen zu. »Wir laufen Gefahr«, bemerkte er und verzog das Gesicht, »selbst zu Verschwörern zu werden, aber es gibt keinen anderen Weg.«
    »Könnten Sie denn nicht den Präsidenten darüber informieren, was wir tun - und warum?« schlug Boisseau vor.
    »Und das Risiko eingehen, wie Lasalle gefeuert zu werden? Sie haben doch wohl noch nicht vergessen, daß Lasalle wegen Überschreitung seiner Kompetenzen entlassen worden ist? Das Dumme ist ja, daß Florian seinem eigenen Urteil so sehr traut, daß er niemals glauben wird, jemand aus seiner engsten Umgebung könne ein Verräter sein …«
    Kurz nachdem Grelle diese Bemerkung gemacht hatte, explodierte die Bombe, die in Pariser Regierungskreisen später als ›Lassale-Affäre‹ bekannt wurde. Die erste Warnung, daß ein mögliches Desaster unmittelbar bevorstand, erhielt Grelle, als Roger Danchin ihn zu einer Geheimbesprechung ins Innenministerium rief.
     Es war am späten Vormittag des 15. Dezember - einen Tag nachdem Danchin Grelle gefragt hatte, ob er glaube, daß Oberst Lasalle mit den Amerikanern in Verbindung stehe -, als der Präfekt dringend zum Place Beauvau gebeten wurde. Grelle kam als letzter an. Zu beiden Seiten eines langen Tisches saßen sämtliche führenden Männer von Geheimdienst und Abwehr, darunter, wie Grelle beim Eintreten bemerkte, Kommissar Suchet von der Abwehr, ein Mann, gegen dessen Methoden und dessen Persönlichkeit der Präfekt eine tiefe Abneigung hegte. Daniel Suchet war groß und dick; in seinem fleischigen Gesicht verschwanden die Augen fast hinter Fettwülsten. Er war ein Lebemann, der aus seiner Genußsucht kein Hehl machte. »Ich esse gut, trinke gut und verführe gut«, hatte er Grelle einmal anvertraut.
     Der am Kopfende des Tisches präsidierende Danchin winkte Grelle, er solle auf einem leerstehenden Stuhl Platz nehmen. »Alles, was während dieser Besprechung geäußert wird, ist streng vertraulich«, belehrte er die Anwesenden in bester

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