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Nullzeit

Nullzeit

Titel: Nullzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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befanden. Auf einem dichten Teppich abgestorbener Farne standen einige Polizeifahrzeuge. Das Licht der Bogenlampen gab den Blick auf einen aufgeweichten Pfad frei, der vom Grab wegführte. Grelle folgte dem Pfad mit den Augen und sah wenige Meter entfernt die schemenhafte Silhouette des steinernen Leoparden, den man von der Grabstätte entfernt hatte. Das Tier sah in dem trommelnden Regen merkwürdig lebendig aus, als duckte es sich gerade zum Sprung.
     »Ich werde mal nachsehen, wie weit die Burschen sind«, sagte Boisseau, der inzwischen angehalten hatte. »Es hat keinen Sinn, daß wir beide naß werden.«
     Ein agent de la paix, an dessen Mantel der Regen in Bächen hinablief, steckte den Kopf durch die Seitenscheibe. Der Schirm seiner Mütze entlud eine Ladung Wasser ins Wageninnere. Verwirrt nahm er sein képi ab. »Setzen Sie das Ding wieder auf, um Gottes willen«, brummte Grelle. 
    »Kommen Sie voran?«
     »Sie haben den Sarg gefunden …« 
    Der Mann hatte ein jungenhaftes Gesicht, und man sah ihm die Aufregung an, mit dem Polizeipräfekten von Paris zu sprechen. 
    »Sie werden ihn in ein paar Minuten oben haben.«
     »Wenigstens ist ein Sarg da«, brummelte Grelle. Er war alles andere als aufgeregt. Selbst wenn der Sarg einen Leichnam enthielt, würde das noch lange nichts beweisen. Seit 1944 war immerhin eine lange Zeit verstrichen. Als Pessimist, der er nun einmal war, hatte er das Gerichtsmedizinische Institut in Lyon veranlaßt, sich bereitzuhalten, um die sterblichen Überreste des ›Leoparden‹ zu untersuchen, sobald sie in Lyon angeliefert würden. Ein Pathologe, ein Röntgenologe sowie einige andere Experten standen bereit, um das Alter der Knochen zu bestimmen.
     Grelle folgte Boisseau hinaus in den Regen. Er steckte die Hände tief in die Manteltaschen und zog sich den Hut in die Stirn. Früher oder später würde er ohnehin klatschnaß werden, und es würde einen sehr schlechten Eindruck machen, wenn der Präfekt warm und trocken saß, während alle anderen im Schlamm herumwühlten. Grelle war immerhin vorsichtig genug gewesen, sich Gummistiefel anzuziehen. Seine Füße versanken bis zu den Knöcheln in dem glitschigen Schlamm. Er stand unter einer grell leuchtenden Bogenlampe. Als er den sich im Regen duckenden Leoparden betrachtete, fiel ihm ein Regentropfen von der Nasenspitze.
     Inmitten des geräuschvoll strömenden Regens und des in der Ferne grollenden Donners vernahm Grelle ein neues Geräusch. Die Männer unten im Grab befestigten Ketten an irgendeinem Gegenstand. Die Zeltplane wurde entfernt, so daß ein Abschleppwagen an die offene Grube heranfahren konnte. Der Fahrer betätigte einen Schalter, und der Kran schob sich über die Öffnung. Für den Fall eines technischen Fehlers waren die Männer aus dem offenen Grab herausgeklettert. Sie waren über und über mit Schlamm bedeckt. Dreckiger Job. Wahrscheinlich völlig umsonst.
     Es war. eine gespenstische Szenerie: der heulende Wind, der die Baumwipfel krümmte, der endlose Regen, das grelle Licht der Bogenlampen. Und jetzt verstummten die Männer in ihren glänzenden Regenmänteln, als sie sich am offenen Grab zusammendrängten und warteten. Der von Ketten festgehaltene Sarg hing jetzt am Haken; der einzige Mann, der jetzt etwas tat, war der Fahrer des Abschleppwagens, der sich auf dem Fahrersitz umgedreht hatte und zugleich seine Schalter betätigte. Unter dem Surren des Maschinenantriebs wurde der Sarg langsam hochgezogen. Allmählich trat er aus dem Schatten und drehte sich im Lichtschein, während der Regen von den Brettern tropfte. Alle Anwesenden waren sehr still. Grelle schob sich eine Zigarette in den Mundwinkel und zündete sie dann doch nicht an, als er den strafenden Blick eines Gendarmen bemerkte. ›Gottverdammter Mist‹, dachte er, ›erwartet der Bursche etwa, daß ich noch meinen Hut abnehme?‹
     Er blickte wieder nach rechts und sah den steinernen Leoparden, der mit offenem Fang dalag, als erzürnte ihn die Entweihung der Grabstätte. Der Beamte, der die Exhumierung leitete, rief einen Befehl. Der jetzt über der Erde schwankende Sarg drehte sich und wurde von dem stählernen Arm behutsam unter das Zeltdach gelenkt, langsam herabgelassen und dann vor dem Regen geschützt auf die Erde gesetzt. Noch ein lauter Befehl. Ein Mann mit einer Motorsäge tauchte auf, untersuchte den Sarg und begann dann mit seiner Arbeit. Er schnitt den Deckel dort auf, wo er ursprünglich angeschraubt worden war. Boisseau ging

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