Nummer Drei: Thriller (German Edition)
Dad ein. »Wir haben ungefähr zehntausend Dollar in bar an Bord. Sie liegen im Safe in meinem Zimmer. Außerdem haben wir Reiseschecks und Laptops. Die ganze Jacht ist voller Wertgegenstände. Nehmen Sie sich alles, aber tun Sie uns bitte nichts.«
Der Anführer lachte und sagte etwas auf Somali.
»Er sagt, Sie selbst seien die Wertgegenstände«, übersetzte der jüngere Mann. Wie um dies zu unterstreichen, nahm er die Rolex vom Handgelenk, betrachtete sie höhnisch und warf sie in den Mülleimer unter dem Tisch. »Wir sind nicht wegen zehntausend Dollar hier. Eher schon wegen zehn Millionen.«
»Sie sind doch verrückt!«, stieß Damian hervor.
Der Anführer hob die Schultern.
»Im letzten Monat hat ein Mann in unserem Dorf zwei Millionen bekommen.«
Er nickte dem jüngeren Mann zu, der nun ein Smartphone aus der Tasche nahm. Ich starrte es erstaunt an, denn es war unglaublich teuer und viel besser als meins. Der Pirat sah mich aber nicht an, sondern schaltete auf dem Bildschirm etwas ein und hob das Gerät, um es der Reihe nach auf uns, auf das Steuerpult und auf das vordere Deck der Jacht zu richten. Dann drehte er es zu dem Anführer herum. Erst da wurde mir bewusst, dass er Filmaufnahmen machte.
»Es ist jetz t … zwölf Uhr dreiundvierzig«, sagte er nach einem Blick auf die Digitaluhr im Steuerpult. »Wir haben die Luxusjacht Daisy May übernommen.« Er wandte sich an Damian. »Kapitän, bitte bestätigen Sie unsere Koordinaten!«
»Ä h … nördliche Breite 11 933 263 , östliche Länge 44 344 254 «, sagte Damian.
»Das ist unsere Position«, fuhr der Pirat fort. »Wir haben nicht die Absicht, uns zu verstecken. Sie sollen wissen, wo Ihre Leute sind. Wenn unsere Forderungen nicht erfüllt werden, töten wir jeden, der sich an Bord befindet.«
Er sagte es so beiläufig und geschäftsmäßig, als wäre es irgendeine Tatsache oder eine schlichte Konsequenz.
Mein Gott, dachte ich. Das ist übel. Wirklich übel.
Man könnte sagen, ich hätte es gleich wissen sollen, und irgendwie habe ich es wohl auch geahnt, aber zwischen Ahnen und Wissen besteht ein Unterschied, und erst als er mit dieser kalten Stimme drohte, sie würden uns töten, wurde mir die Gefahr wirklich bewusst.
Wir waren Geiseln.
Er tippte auf den Bildschirm, um die Aufnahme zu beenden, nahm ein Kabel und verband die Kamera mit dem Laptop auf der Konsole, den Damian gewöhnlich benutzte. Ich konnte es nicht richtig fassen, aber dieser Mann war mehr als seltsam – einerseits die Pistole, die er mit einer Schnur festgebunden hatte, und die bloßen Füße unter der Hose, andererseits das Smartphone und der Umgang damit, als würde er sich den ganzen Tag mit nichts anderem beschäftigen.
»Sie werden uns jetzt den Namen und die E-Mail-Adresse der Besitzer dieser Jacht nennen, damit wir ihnen das Video schicken können«, sagte er.
»Ic h …«, setzte mein Dad an, doch dieses Mal fiel Tony ihm ins Wort.
»Das ist die Goldblatt Bank.« Man hörte ihm an, dass er Schmerzen litt. »Ich gebe Ihnen die Adresse.«
Klug, dachte ich sofort. Wenn die Piraten erfuhren, dass die Jacht Dad gehörte, würden sie direkt mit ihm verhandeln, oder sie konnten ihn foltern, um zu erfahren, wie viel Geld er besaß, und ihm alles abnehmen. Tony erkaufte uns etwas Zeit. Dad hatte offensichtlich ebenfalls daran gedacht, weil er schwieg und die Piraten wütend anstarrte.
In diesem Moment brachten sie auch die Stiefmutter herein. Tränen rollten ihr über die Wangen, aber verletzt war sie anscheinend nicht.
»Das sind Piraten«, sagte sie mit brechender Stimme. »Auf der Jacht sind Piraten!«
O nein!, dachte ich und wünschte mir, an ihrer Stelle wäre meine Mom hier gewesen.
Nein, dachte ich dann. Ich will nicht, dass meine Mom in eine gefährliche Situation gerät und so viel Angst hat wie ich.
Bedeutete dies andererseits, dass ich meiner Stiefmutter genau das zumuten wollte? Ich war nicht sicher.
Ich wusste nur eins: Ich wollte nicht mehr auf der Jacht sein. Ich meine, offensichtlich hatte ich mich nicht auf meine Zukunft konzentriert, denn sonst hätte ich nicht die Abschlussprüfung vermasselt, aber irgendeine Zukunft wollte ich auf jeden Fall haben.
7 Im Grunde ging es mir mit meiner Mom gar nicht so schlecht. Das, was sie auf so schreckliche Weise veränderte, machte sie andererseits zu einer höchst beeindruckenden Person. An meinem fünfzehnten Geburtstag wollte ich zum Beispiel abends mit meinen Freundinnen ausgehen, und sie hatte nichts
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