Nummer Drei: Thriller (German Edition)
aus DMS gemacht.«
» DNS «, berichtigte Mom mich. »Und das ist ganz richtig. Aber ich meine Dinge, die noch viel kleiner sind. Dazu muss man bis zum Urknall zurückgehen. Was ist damals passier t ? Es gab eine große Explosion, die Kohlenstoffatome und Materiebrocken in alle Richtungen schleuderte. Aus einigen sind Sterne geworden, aus einigen die Monde. Aus einigen sind wir entstanden.«
»Sind wir wirklich aus den gleichen Sachen gemacht wie die Sterne?«
»Ja, Liebes. Auf der Ebene von Partikeln stimmt das.«
»Wow«, sagte ich, das neunjährige Mädchen.
»Und wenn unser Stern stirbt – ich meine die Sonne –, dann wird sie zur Supernova, und wir werden alle wieder zu Kohlenstoffatomen und schweben durch das Universum. Dann ist alles, was je gelebt hat, wieder zusammen und schwebt in winzigen Stückchen durch das All, bis schließlich ein neuer Stern entsteht. Wenn wir sterben, könnten du und ich eines Tages in demselben Stern zusammen sein.«
Damals achtete ich nicht richtig darauf.
»Die Sonne stirb t ?«, fragte ich. »Wann denn?«
Ich hatte Angst bekommen. Im Rückblick finde ich Moms Worte von damals ziemlich schräg. So etwas sollten Eltern ihren kleinen Kindern nicht erzählen. Außerdem hätten dabei alle möglichen Alarmsignale anschlagen müssen, aber ich war nur ein Kind, und wenn ich überhaupt etwas hörte, dann begriff ich nicht, dass es ein Alarm war. Ich war wie ein Säugling im Krieg, der den Luftalarm für ein Wiegenlied hält.
»Nein, meine Kleine, das tut mir leid«, lenkte sie ein. »Ich wollte dir keine Angst machen. Die Sonne wird noch sehr lange scheinen. Noch Milliarden von Jahren.«
»Oh, na gut.«
»Aber wichtig ist, dass es nicht das Ende ist, wenn wir sterben. Die Atome leben ewig. Du und ich, wir könnten auch aus einem Stückchen von einem Dinosaurier bestehen.«
»Aus einem Dinosaurier?«
»Ja. Du und ich, wir könnten denselben T-Rex in uns haben.«
Ich hob die Hände, fletschte die Zähne und brüllte. Mom spielte mit und quietschte. Brüllend und kichernd jagte ich sie über den Strand.
Sechs Jahre später fand ich die Nachricht in meinem Zimmer und setzte mich aufs Bett, weil sich in meinem Kopf alles drehte.
Ich wusste, was sie mir sagen wollte: Eines Tages würden wir uns in einem Stern wiedersehen.
Wie kann sie es wagen?, dachte ich.
An diesem Abend entfernte ich alle selbst leuchtenden Sterne aus meinem Zimmer, trug sie in den hinteren Garten, kippte Feuerzeugbenzin darüber und verbrannte sie. Mein Vater fragte nie nach dem Grund.
19 »Erzähl mir von deiner Familie!«
»Ich habe keine Familie. Nur meinen Bruder Abdirashid.«
»Gut, dann erzähl mir von deinem Bruder!«
»Das habe ich doch schon getan. Er sitzt im Gefängnis.«
»Das weiß ich. Ich meine, was war vorher? Wie seid ihr aufgewachsen?«
Farouz schürzte die Lippen. Wir saßen auf einer Sonnenliege. Ich hatte meinen iPod und die Kopfhörer im Schoß, damit ich im Zweifelsfall behaupten konnte, ich hätte Musik gehört.
»Ich bin wegen eines Imams zur Schule gegangen«, erklärte er.
»Ein Imam?«
»Im Islam ist das ein Priester.«
»Oh, na gut.«
»Der Imam war Schuldirektor in Galkayo. Auf diese Schule kamen mein Bruder und ich, nachdem meine Eltern getötet worden waren.«
»Deine Eltern wurde n …«
»Das ist eine andere Geschichte«, fiel er mir ins Wort. »Galkayo liegt in Puntland. Mein Bruder und ich stammen nicht aus Puntland, wir sind aus Mogadischu. Deshalb war es für uns am Anfang schwierig. Der Dialekt ist anders, die Leute mögen keine Flüchtlinge. Im ersten Jahr lebten wir auf der Straße und mussten betteln. Wir sind weit gelaufen, um Wasser aus einem Brunnen zu schöpfen. Manchmal haben wir Ratten gefangen.«
»Himmel!«, stieß ich hervor.
Er hob die Schultern.
»Lieber eine Ratte essen als verhungern. Mein Bruder hat sich umgetan. Ich weiß nicht, wo er sich herumtrieb. Vielleicht weiß ich es doc h … Wenn er zurückkam, brachte er jedenfalls ein bisschen Geld mit, von dem wir uns zwei Tage lang satt essen konnten. Das war gut. Immer wenn mein Bruder losging, musste ich an derselben Stelle auf ihn warten. Es war ein Laden, in dem man Obst und kleine Gerichte kaufen konnte. Inzwischen liefert er den Piraten hier in Eyl die Vorräte. Ich kenne den Besitzer – er ist inzwischen ein reicher Mann.«
Farouz hielt inne und tat so, als betrachte er das Meer. Dabei wippte er mit den Fußspitzen auf dem Boden.
»Jeden Tag wartete ich vor dem Laden auf
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