Nummer Drei: Thriller (German Edition)
hatte. Deshalb bin ich schließlich auch allein mit Mom nach Mexiko gefahren, um die Schildkröten bei der Eiablage zu beobachten.
Dad bekleidete eine hohe Stellung bei einer Bank, deren Firmenschild man in London und New York an jeder Ecke sah, und er hatte immer sehr, sehr viel zu tun. Sicher, er hatte ein Vermögen verdient, aber er war auch ein Sklave seiner Firma. Die Menschen nahmen Dad wahr – er sah gut aus, das musste ich zugeben, und galt mit seinen perfekt frisierten grauen Haaren wohl als distinguiert. Aber wenn man ihn betrachtete, dann entdeckte man eher einen Wolf als eine Person. Man sah vor allem die Gier nach Geld und Erfolg. Er ging nicht über Leichen, so konnte man es wohl nicht ausdrücken, aber er war hungrig. Ich glaube, viele Menschen erkannten das. Es gefiel ihnen sogar, und deshalb gelang es Dad so leicht, alle anderen um den Finger zu wickeln.
Letzten Endes drehte es sich aber einfach nur um Geld und um seine Geldgier. Es war ausgeschlossen, dass Dad ein ganzes Jahr freinahm, um in der Weltgeschichte umherzuschlawinern. So drückte er sich aus, wenn er über Leute sprach, die weniger stark angetrieben waren als er selbst.
Wie sich herausstellen sollte, lag ich auch in dieser Hinsicht falsch.
Ein paar Tage später, es war ein Sonnabend, klopfte es an meiner Zimmertür, und Dad trat ein.
»Du solltest wirklich mehr Licht hereinlassen, Amy«, begann er. »Es ist schon fast Nachmittag.«
»Freut mich auch, dich zu sehen«, antwortete ich.
Er trat ans Fenster und zog die Vorhänge auf. Die Helligkeit überflutete den Raum.
Ich zuckte zusammen und blinzelte.
»Du brauchst neue Sachen«, erklärte er.
»Das hier sieht doch eigentlich ganz nett aus«, erwiderte ich, während ich meinen Schlafanzug mit den Enten betrachtete.
»Haha«, machte er. »Für die Reise. Du brauchst Sachen für die Reise.«
»Die Reise?«
»Ja, du weißt schon – die Weltreise. Mit der Jacht.«
Ich starrte ihn an. Seit dem Zwischenfall mit der Zigarette hatte ich Dad nicht mehr gesehen. Er war dauernd im Büro gewesen, und ich hatte angenommen, die Reise sei mehr oder weniger vergessen. Seit der seltsamen Unterhaltung mit der Stiefmutter hatte ich nicht mehr darüber nachgedacht.
»Hast du das wirklich vor?«, fragte ich. »Du machst Witze, oder?«
Er runzelte die Stirn.
»Nein, ich mache keine Witze. Warum sollte ich über so etwas Witze machen?«
Da hatte er natürlich recht. Dad machte keine Witze. Er hielt davon so viel wie von allem anderen, das nicht zu verkaufen war.
»Abe r … wann fahren wir ab?«
»Am fünfzehnten Juli.«
»Das sind ja nur noch drei Wochen!«
»Ich weiß«, bestätigte er. »Deshalb musst du dir ein paar Sachen kaufen.«
»Wie lange sind wir denn unterwegs?«
»Sechs Monate, vielleicht auch acht. Wir haben die Route noch nicht endgültig geplant.«
»Aber was ist mit deinem Job?«
»Ich lege ein Sabbatical ein«, antwortete er.
»O Jesus! Du meinst es wirklich ernst.«
»Ja, natürlich. Wie ich schon sagte, kauf dir Kleidung. Wir fahren durch verschiedene Klimazonen und müssen auf See auch mit schlechtem Wetter rechnen. Ich habe dir eine Liste zusammengestellt.«
Er kam zu mir ans Bett, wo ich, an die Kissen gelehnt, ferngesehen hatte, und reichte mir ein Blatt liniertes Papier. Ich betrachtete die lange Aufstellung. Es waren nicht nur Kleidungsstücke, sondern auch Toilettenartikel, ein Moskitonetz, Sonnenbrille n …
»Komm schon, steh auf!«, drängte er. »Wir haben viel zu tun. Ich habe dich schon für die Impfungen angemeldet.«
»Impfungen?«, fragte ich.
»Schutzimpfungen gegen Cholera, Hepatitis und so weiter. Sarah und ich haben das bereits erledigt. Und dann steht die Oxford Street auf dem Programm, um die Reisekleidung zu kaufen.«
Unversehens regte sich nun doch ein wenig Aufregung in meiner Magengrube. Nicht wegen der Reise – ich glaubte immer noch nicht, dass es wirklich so weit kommen würde –, sondern weil ich den Tag mit meinem Dad verbringen würde. Es war lange her, dass wir etwas zusammen unternommen hatten. Ich glaube, seit dem Ereignis nicht mehr.
»Na gut«, willigte ich ein. »Ich dusche nur noch rasch. Wann fahren wir?«
»Wir?«, fragte er verblüfft.
Mein Magen stürzte ab.
»Wi r … ich und du. Einkaufen. Zum Impfen. Um alles zu erledigen, was du mir gerade aufgezählt hast.«
»O nein, ich komme nicht mit!«, erwiderte Dad. Erst jetzt – warum eigentlich nicht schon vorher? – bemerkte ich, dass er einen guten Anzug
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