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Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Nummer Drei: Thriller (German Edition)

Titel: Nummer Drei: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Lake
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annähernd richtig gestimmt. Hinter mir atmete Dad tief ein, aber ich wandte mich nicht um.
    Ich spielte, hell und klar perlte die Musik wie ein Bach im Frühling.
    Zuerst bemerkte ich nicht einmal selbst, was ich spielte, aber dann erkannte ich es: die Chaconne von Bach. Das Stück, das ich für den Menuhin-Wettbewerb einstudiert hatte, bis Mom gestorben war. Auf der Bühne hatte ich es nie für sie spielen können. Was dachte ich mir dabei? Dachte ich, ich würde es für sie spielen? Das wäre natürlich ebenfalls ein verrückter Einfall gewesen.
    In Wirklichkeit spielte ich für Farouz. Ich hoffte, er hörte zu und erfasste die Bedeutung.
    Wie auch immer, ich spielte, die Musik erfüllte das Deck und schwebte bis nach Eyl hinüber, bis zu den Sternen hinauf. Sie war überall, sie umfing mich, vibrierte in meinem Gehörgang und strich mir über die schaudernde Haut. Langsam, ganz langsam atmete ich aus. Es war, als hätte ich die ganze Zeit in einem Schwarz-Weiß-Film gelebt und als hätte nun jemand die Farbe eingeschaltet.
    Ich hörte die Musik nicht nur, sondern sah sie auch. Wenn Sie so lange und so intensiv gespielt haben wie ich, passiert das manchmal. Man sieht die Töne im Kopf, im Gedächtnis, sie befinden sich unmittelbar vor den Augen, ebenso real wie die Sterne, und legen sich über die ganze Welt. Es ist, als könne man die Grundbausteine und das Skelett der Welt erkennen, wie man in einem Gebäude die Balken, die Treppen und die Bogengänge erkunden kann. Ich sah die Sonnenliege, den Rettungsring der Jacht, das funkelnde Mondlicht auf dem Meer, und zugleich sah ich dies:
    Es schwebte vor mir in der Luft.
    Wie konnte ich ohne die Musik leben?, fragte ich mich.
    Als ich fertig war, legte ich die Geige wieder in den Koffer.
    »Schön«, sagte Dad. »Danke.«
    Er kam zu mir und umarmte mich linkisch.
    »Ä h … ja.« Erst jetzt wurde mir klar – er glaubte, ich hätte für ihn gespielt.
    »Ich habe dich vermisst, Amybärchen.«
    Das zerstörte den Zauber endgültig. Ich zog mich zurück.
    »Du bist derjenige, der nie da ist«, entgegnete ich.
    Sein Blick trübte sich.
    »Ä h …«, stotterte er. »Komm, wir gehen wieder hinein!«
    Im Morgengrauen kamen Ahmed und Farouz und sagten uns, wir sollten uns bereitmachen.
    »Duschen«, befahl Ahmed. »Einer allein.«
    »Einer allein?«, fragte Dad.
    »Einer nach dem anderen«, erklärte Farouz. »Damit ihr ansehnlich seid, wenn ihr zu euren Leuten zurückkehrt.«
    »Nummer Eins zuerst«, ordnete Ahmed an. »Die anderen bleiben hier.«
    Also warteten wir, während Dad ging, duschte und frische Sachen anzog, die uns die Piraten mitgebracht hatten. Die Stiefmutter war die Nächste, dann folgte Tony.
    Ich war die Vierte. Ahmed deutete auf die Duschen unten im Flur. Anscheinend durften wir nicht in die Zimmer, sondern mussten den Waschraum der Crew benutzen. Ich nickte und ging hinein. Dort drinnen gab es zwei Duschkabinen, bei einer stand die Tür einen Spaltbreit offen. Ich runzelte die Stirn. Dann öffnete sich die Tür ganz, und Farouz trat heraus.
    »Farouz!«, sagte ich. »Weiß Ahme d …«
    »Ja, ich habe ihn überredet. Auch wenn es ihm nicht gefällt.«
    Ich lächelte.
    »Ich wollte nicht gehen, ohne mich zu verabschieden«, erklärte ich.
    »Nein, ich auch nicht«, erwiderte er.
    »Ich habe gestern Abend für dich gespielt. Hast du es gehör t ?«
    »Ja«, sagte er. »Ich habe es gehört. Danke.«
    Er reichte mir einen zusammengefalteten Zettel.
    »Meine E-Mail-Adresse«, sagte er. »Wenn ich wieder in Galkayo bi n … wird es kompliziert. Mohammeds Familie könnte mich suchen. Aber schick mir eine E-Mail, wenn du zu Hause bist. Ich versuche zu antworten.«
    »Warum kehrst du überhaupt nach Galkayo zurück, wenn es dort so gefährlich is t ?«
    »Ich muss. Wegen meines Bruders.«
    Eine dumpfe Angst ergriff Besitz von mir. Ich hatte nur an mich selbst gedacht, an die Gefahren und den Austausch. Darauf, dass sich auch Farouz in Gefahr begab, sobald er die Jacht verließ, war ich nicht gekommen.
    »Dusch jetzt!«, drängte er mich. »Wir können dabei weiterreden. Sonst bist du zu langsam, und dein Vater wird misstrauisch.«
    Er hatte recht. So gern ich auch sein Gesicht betrachten und mir einprägen wollte – das Muttermal auf der rechten Wange, die langen Wimpern –, ich betrat die Kabine, zog mich aus und drehte das Wasser auf.
    »Ich komme nach England«, versprach er. »Später, wen n …«
    »Tut mir leid«, log ich. »Ich kann dich nicht

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