Nummer Drei: Thriller (German Edition)
schrecklich, wie aufregend! Dies hier gehört in den Bereich O mein Gott, ich werde sterben, und niemand kann mir helfen. Die Angst packt mich nicht, sondern sie umzingelt mich förmlich, wie eine dunkle Wolke die Schleusen öffnet, worauf schlagartig ringsum der Hagel herunterprasselt.
Ich werde hier und heute sterben. Mir fällt Farouz’ Versprechen ein, mir nicht wehzutun und dass er lieber selbst stirbt. Aber ich bin nicht sicher, ob er Wort hält. Ich glaube nicht. Lieber sterbe ich , das sagt sich so leicht, aber es ist viel schwerer, sich auch daran zu halten.
Man sollte meinen, mir kämen in diesem Augenblick gewichtigere Gedanken, aber das ist nicht der Fall. Es ist eine eigenartige Erkenntnis, dass mein Tod, der bisher immer etwas Abstraktes und weit Entferntes war, zur Realität wird. Ich fühle mich wie das Polopferd, das nur noch auf den Tierarzt mit der tödlichen Injektion warten kann.
Die Nachrichten werden eine ganze Woche lang über uns berichten, denke ich. Nach uns ist etwas anderes an der Reihe. Ein Erdbeben oder ein Fußballspieler, der sich mit einer Prostituierten einlässt. Und das war es dann. Im Kopf höre ich mir Milsteins Aufnahme der Sonaten und Partiten von 1953 an und bemühe mich, keine Note und keinen Schnörkel auszulassen.
Warum habe ich nicht jeden Tag Geige gespiel t ?, frage ich mich. Die elektronische Musik besitzt eine eigene Schönheit, die an Echos im Weltraum denken lässt, aber Milstein hat der Welt gezeigt, dass die Geige eine Stimme besitzt und singen kann. Diese Musik lebt. Es sind nicht bloß Stimmen aus der Vergangenheit, die mit der Zeit verzerrt und schief klingen. Es ist der Klang des menschlichen Herzens, wenn man nur hören und verstehen könnte, was es sagen will.
Ein weiteres leises, metallisches Geräusch ist zu hören, als Farouz den Abzug durchdrückt. Auf einmal schreit mein Dad, meine Stiefmutter kreisch t … nichts Verständliches, es ist nur Lärm.
Ich hole tief Luf t …
Mein Dad schreit nicht mehr. Ich öffne die Augen und wende mich um. Das Schlauchboot der Marine kehrt zum Zerstörer zurück. Ahmed lächelt.
»Alles klar«, sagt er.
Ich starre ihn an. Alles klar? Nichts ist klar, verdammt. Mehr hat er dazu nicht zu sagen? Ich frage mich, ob Farouz wirklich geschossen hätte, ob er mich wirklich getötet hätte. Oder hätte er sich umgedreht und stattdessen Ahmed erschossen, wie es manchmal im Film passier t ? Wer weiß? Ich werde es wohl nie erfahren.
»Tut mir leid«, sagt Ahmed. »Tut mir leid. Wollten nur Royal Navy erschrecken. Nicht wirklich machen.«
»O mein Gott!«, stöhnt mein Dad. »Ich hoffe, sie haben gesehen, was sie sehen wollten.«
Er umarmt mich fest, und ausnahmsweise habe ich nichts dagegen.
»Jetzt wissen sie, dass es die Piraten ernst meinen«, erklärt Tony.
»Was Sie nicht sagen«, antwortet die Stiefmutter bissig. »Als ob sie das nicht schon längst begriffen hätten.«
Meine Knie fühlen sich weich an, ich kann kaum noch gerade stehen.
Dann ist auf dem Zerstörer ein leises Heulen zu hören, und der Hubschrauber steigt auf. Er legt sich schräg und fliegt auf uns zu, um über dem Meer anzuhalten und das Geld abzuwerfen.
Ahmed spricht in das Funkgerät.
»Nein«, sagt er zur Marine und dem Verhandlungsführer. »Kein Austausch.«
»Sir«, antwortet jemand, »alle Parteien waren mit dem Plan einverstanden. Sie können doch nich t …«
»Ruhe da!«, befiehlt Ahmed.
Er spricht rasch mit Farouz und wirft ihm das Funkgerät zu. Farouz übernimmt die Verhandlungen.
»Der Plan wurde angenommen«, sagt er. »Aber Sie haben sich verspätet, und das Schlauchboot war kein Teil des Plans. Wir lehnen den Plan ab.«
»Sie bekommen nicht mehr Geld als ausgemacht«, erklärt der andere Mann. Der Stimme ist nicht anzuhören, wie alt der Mann ist.
Farouz unterhält sich kurz mit Ahmed.
»In Ordnung«, sagt er ins Funkgerät. »Aber wir lassen die Geiseln nicht frei, bis wir zum Strand zurückgekehrt sind.«
Er schaltet das Funkgerät aus und stellt Ahmed mit gerunzelter Stirn einige Fragen. Ahmed winkt jedoch nur und beharrt auf irgendetwas. Farouz nickt widerstrebend und drückt wieder auf den Knopf.
»Wir nehmen eine Geisel mit an Land, wenn wir das Geld haben«, übersetzt er für den Mann auf der anderen Seite. »Sobald wir den Strand wohlbehalten erreicht haben, darf die Geisel zurückkehren.«
»Auf keinen Fall«, antwortet der Vertreter der Marine. Es knistert im Funk.
»Schon gut.« Tony schiebt sich
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