Nummer Drei: Thriller (German Edition)
lächeln oder die Stirn runzeln soll. Irgendwie tut er beides gleichzeitig.
»Das ist nicht möglich«, erklärt er mir.
»Natürlich ist es möglich«, antworte ich. »Ich kehre einfach nicht zurück.«
»Die Royal Navy!« Ahmed deutet auf den Zerstörer. »Die Royal Navy.«
»Die Marine wird uns angreifen«, ergänzt Farouz.
»Wie denn? Sie sind auf einem Schiff.«
»Sie haben einen Hubschrauber.«
»Das können sie doch nicht so einfach tun«, erwidere ich. »Dies ist somalisches Gebiet. Sie können nicht ohne Erlaubnis herüberfliegen.«
Ich habe keine Ahnung, ob es wahr ist, aber es kommt mir jedenfalls so vor.
Farouz hält inne. Er wendet sich an Ahmed und sagt etwas.
Ahmed hebt entnervt beide Hände und brüllt einen Befehl.
»Wenn du in Somalia bleibst«, erklärt Farouz, »sind wi r … wie heißen sie noch gleich? Die Leute, mit denen niemand sprich t ?«
»Parias?«
»Ist das das richtige Wor t ? Ja, gut. Wir sind dann Parias. Die anderen Küstenwachen werden uns noch mehr hassen. Wir überleben, weil wir den Geiseln nichts antun. Wenn wir dich hierbehalten, brechen wir den Ehrenkodex. Andere werden leiden. Und dann wird uns die Royal Navy angreifen, sobald sie die Erlaubnis hat, die sie ganz bestimmt bekommt, und dan n …«
»Ihr tut mir doch nichts«, widerspreche ich. »Ich bin freiwillig hier. Das sage ich ihnen. Ich schreibe an die Zeitungen in England und erkläre es ihnen.«
»Die andern Pir… ich meine, die anderen Küstenwachen wird es nicht kümmern. Sie werden sagen, wir hätten unsere eigenen Leute verraten.«
»Na und? Ihr habt ein paar Millionen Dollar und könnt tun, was immer ihr wollt.«
Das bringt ihn tatsächlich zum Nachdenken. Er übersetzt für Ahmed, der widerstrebend nickt. Auch er sieht ein, dass ich recht habe.
»Und überhaupt, sie müssen es ja nicht erfahren. Setzt einen Mann ins Boot, der sich eine Decke über den Kopf zieht. Schickt ihn zum Schiff! Bis sie es bemerken, sind wir längst weg. Ich steige mit euch in den Pick-up. Bitte!«, sage ich zu Ahmed. »Bitte, ich liebe ihn. Ich kann ihn nicht verlassen.«
»Du liebst Farouz?«
Ich nicke.
»Und Farouz? Liebt er dich auch?« Er sieht Farouz fragend an.
»Ja«, bestätigt Farouz.
Ahmed zappelt herum, reibt die Finger aneinander.
»Verdammt, verdammt. Na gut«, sagt er.
35 Wir steigen in einen Pick-up. Der Motor startet, wir fahren los und beschleunigen. Nach dem langen Aufenthalt auf der Jacht habe ich Bewegungen wie diese ganz vergessen. Die jähe Beschleunigung, das Gefühl, von einer Schleuder abgeschossen zu werden, der Treibstoff, der die Kraft erzeugt.
Nachdem die Pick-ups durch die Dünen geholpert sind, legen wir in Eyl eine Pause ein. Die Piraten sind offensichtlich nervös, viel nervöser als ich, und halten die ganze Zeit die Waffen umklammert. Ich glaube, dies wäre eine gute Gelegenheit, einen Vorstoß zu wagen und das Geld zu stehlen. Die Piraten haben natürlich Angst davor. Ich nehme an, deshalb haben sie das Geld auf zwei Wagen verteilt. Wenn einer angegriffen wird, ist nicht das ganze Geld verloren.
Ich weiß nicht, warum ich so gelassen über all dies nachdenke. Wenn einer der Trucks angegriffen wird, kann es durchaus jener sein, in dem ich sitze, und ich werde sterben.
Die Piraten halten im Ort an, weil sie in einigen kleinen Läden Schulden haben. Wahrscheinlich sind es die Händler, die Zigaretten, Wasser und so weiter geliefert haben. Ahmed verteilt ein paar Bündel Geld, als wäre Weihnachten. Räudige Hunde folgen uns, während wir von Geschäft zu Geschäft gehen. Die Knöchel der Hand, mit der Farouz seine Waffe festhält, sind weiß angelaufen. Alte Männer sitzen vor den Cafés im Schatten und kauen Khat. Ein blinder Bettler hockt am Straßenrand und streckt die Hände aus.
Schließlich kehren wir zu den Pick-ups zurück und fahren auf der trockenen Straße weiter. Eigentlich ist es eher eine Staubpiste. Die Anspannung lässt ein wenig nach. Wir fahren auf die Hügel hinauf, hinter uns steigt eine braune Staubwolke empor. Vor uns ragen weiße Berggipfel auf. Wir halten auf sie zu und dringen auf der gewundenen Straße ins Bergland vor.
Dad wird ausrasten, denke ich. Mir ist klar, dass ihm mein Verschwinden wehtut. Aber irgendwie bringe ich es nicht über mich, mir deswegen Sorgen zu machen. Die Wahrheit ist – Mom hat mich verlassen, aber danach hat mich auch Dad verlassen. Das ist schwer zu verzeihen, weil mein Dad noch lebt. Ich meine, sein Körper ist eine
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