Nummer Drei: Thriller (German Edition)
Lösegeldübergabe im Film.
Es ist ja tatsächlich Lösegeld, sage ich mir. Im Grunde stehle ich meinem Vater das Geld. Ich muss kichern, worauf Ahmed mich böse anstarrt. Er sagt etwas zu Farouz.
»Ahmed meint, wir müssen vorsichtig sein. Mohammeds Familie sinnt womöglich auf Rache.«
Der Gedanke ernüchtert mich, also höre ich auf zu kichern. Farouz wirft sich die Tasche über die Schulter und umarmt Ahmed. Es ist keine dieser oberflächlichen männlichen Umarmungen, wie man sie in England sieht, sondern eine wirklich liebevolle Geste. Zu meiner Überraschung kommt Ahmed anschließend mit ausgebreiteten Armen auf mich zu und umarmt auch mich.
»Viel Glück«, sagt er. »Du wirst brauchen.«
»Danke«, antworte ich. »Vielen Dank.«
Ich meine es ernst.
Danach verlassen wir den Laden. Farouz schiebt die Pistole in die Hosentasche, aber sie zeichnet sich immer noch unter dem Stoff ab. Er führt mich durch schmale, gewundene Straßen, bis wir eine Hütte mit einer verrosteten Eisentür erreichen.
»Ist das dein Haus?«
»Im Augenblick ja.«
Drinnen zieht Farouz einen Sessel aus einer Ecke vor. Er ist weich und hat ein dickes Polster, dessen Füllung herausquillt. Darunter befindet sich ein Brett, das ein wirklich tiefes Loch im Boden verbirgt. Er nimmt einige Geldbündel aus dem Beutel, steckt sie sich in die Hosentasche und lässt den Sportbeutel in das Loch fallen.
»Und was nun?«, frage ich ihn.
Er küsst mich.
»Wir befreien meinen Bruder. Dann können wir alles tun, wozu wir Lust haben.«
»Das klingt gut.«
Er zwinkert mir zu.
»Vielleicht kaufen wir dir eine Geige. Und ich habe meine Oud. Wir könnten zusammen spielen.«
»Das wäre schön«, antworte ich.
Wir verlassen die Hütte und gehen durch die verrückten, geschäftigen Straßen zum Gefängnis. An einer Ecke hockt ein Affe auf einem Dach und schreit uns an.
Ich bin schockiert, als ich das Gefängnis sehe. Ich meine, ich hatte mir ein richtiges Gebäude mit mächtigen Mauern und bewaffneten Männern auf Wachtürmen vorgestellt. Dieses Gebäude ist jedoch vorn offen wie ein Geschäft, nur dass dort Gitter angebracht sind, hinter denen die Gefangenen hocken. Sie sind von der Straße aus deutlich zu sehen. Nebenan gibt es einen Stand, an dem ein Mann Hühner verkauft. Er nimmt sie von der Decke ab, wo er sie kopfüber festgebunden hat. Sie leben noch und wackeln mit den Köpfen. Wenn er sich eins schnappt, kreischt und gluckst es wie wild. Dann legt er es auf ein schmutziges Brett, auf dem das Blut steht, hackt den Kopf ab und wirft das Huhn in einen Eimer. Dort flattert es aufgeregt und wild umher. Sobald es aufhört, nimmt er es heraus und überreicht es demjenigen, der es gekauft hat.
»O Gott, ist das widerlich!«, sage ich.
Farouz zieht die Augenbrauen hoch.
»Früher konnte ich mir so etwas gar nicht leisten.«
Mir fällt auf, dass die Kunden, die für die Hühner anstehen, nicht so krank, verdreckt und unterernährt aussehen wie viele andere, die mir in Galkayo aufgefallen sind. Ich bekomme Schuldgefühle und wende mich wieder zu dem Gefängnis um.
Farouz geht an den Gitterstäben entlang und sucht offenbar seinen Bruder. Das Gebäude ist lang, in der Stadt hätte es fast einem Block entsprochen. Ich komme nicht darüber hinweg, wie die Männer dort zur Schau gestellt werden. Es ist eher ein Zoo als ein Gefängnis.
Schließlich bleibt Farouz vor einem Mann stehen, der von innen die Gitterstäbe umklammert hält. Der Mann sieht ihm ähnlich, ist aber älter und sichtlich angeschlagen. Er sieht aus wie Farouz, den man verschleppt, mit Dreck eingerieben, verprügelt und gezwungen hat, eine Flasche Wodka zu trinken, um ihn dann im Straßengraben liegen zu lassen.
»Abdirashid.«
»Farouz.«
Sie sprechen auf Somali, die Stimmen harmonieren gut miteinander wie zwei passende Puzzleteile, die Worte fügen sich mühelos in die Pausen, die der andere lässt. Insgesamt klingt es wie fließendes Wasser.
Sie unterhalten sich eine Weile, dann bemerkt Farouz einen Wärter, der von hinten die riesige offene Gefängniszelle betreten hat, und winkt ihn zu sich.
Der Aufseher schlendert herbei und schiebt Abdirashid mit einem Stock zur Seite. Böse funkelt er Farouz an. Er ist so groß wie ein Ochse und hat einen gemeinen Gesichtsausdruck. Farouz sagt etwas zu ihm, was dem Mann offenbar nicht gefällt, weil seine Miene noch finsterer wird. Dann zieht Farouz ein Bündel Geldscheine aus der Tasche und reicht es dem Wärter durch die
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