Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
nicht ertragen, den Schmerz darin zu sehen.
Ihr Griff um meine Hand wurde fester. So viel Energie hatte sie seit Monaten nicht mehr aufgebracht. Aber ich verstand sie nicht. Ich machte mich los und ging zum Fenster hinüber, wo ich anfing, am Vorhang herumzuzupfen.
»Du bist so groß geworden. Und schlank wie eine Weide.«
»Ich weiß. Dad meint, ich müsse mit dem Wachsen aufhören, weil ich ihn zu teuer käme. Er muss mir dauernd neue Schuluniformen kaufen.«
Mit einem Mal hatte ich das Gefühl, meine Mutter sehe ängstlich drein. »Aber das sagt er sicher nur zum Spaß.«
Obwohl alle Fenster offen waren, war es im Raum sehr ruhig, eine Art erzwungene Stille. Ein kraftloses Schweigen. Der vollkommene Rasen war grün wie die Smaragde im Verlobungsring meiner Mutter. Ein paar Krocketbügel steckten in seltsamen Gruppierungen im Rasen, aber niemand spielte. Das Summen einer einzelnen Biene wurde hörbar, doch sogar diese flüchtete nach kurzer Zeit.
»Meine Maggie.«
Warum hatte sie mir nicht gesagt, dass sie sich verabschieden wollte? Manchmal wache ich mitten in der Nacht auf und würde ihr am liebsten all meinen Kummer ins Gesicht schleudern. Wenn ich es nur geahnt hätte!
Ich hätte sie aufhalten können.
Hätte ich?
Stattdessen beobachtete ich eine alte Dame in einem gestreiften Liegestuhl auf dem Rasen. Sie wirkte ganz normal, der Oma-Typ, obwohl sie anders war als Gar. Doch als ich genauer hinsah, merkte ich, dass sie mit sich selbst redete und ständig ihren Hut drehte, als täte er ihr weh.
»Erzähl mir etwas, Maggie.« Aus der Stimme meiner Mutter klang Verzweiflung, was in mir Panik auslöste.
»Was?«
»Irgendetwas. Was du möchtest.«
Die Bitte zischte in meinem Kopf auf und ab wie eine Elritze, die ihren Weg durch einen Schwarm fetter Thunfische suchte. Ich wollte genau das Richtige sagen, es meiner Mutter gleichsam zu Füßen legen, doch ich konnte einfach nicht herausfinden, was das Richtige war.
»Ich koche jetzt. Gerade erst habe ich gelernt, wie man Shepherd’s Pie macht. Gar hilft mir manchmal, aber meistens mache ich es allein.« Was nicht ganz stimmte, denn Gar war es, die den Großteil der Arbeit machte. Allerdings half ich ihr, wo ich nur konnte. »Jetzt koche ich für uns. Am besten kann ich Rührei. Ich mache dir welches, wenn du nach Hause kommst.«
Ich erzählte ihr nicht, dass ich beim ersten Versuch fast das Haus abgefackelt hätte. Ich wollte ja nur, dass sie stolz auf mich war, wollte ihr zeigen, dass wir auch ohne ihre feste Hand zurechtkamen. Erst als ich älter wurde, bekam ich Angst, sie habe meine Worte vielleicht so verstanden, als bräuchten wir sie nicht mehr.
Denn in Wirklichkeit war ich ohne sie verloren, zappelte herum wie ein Fisch auf dem Trockenen und wünschte mir nichts sehnlicher, als dass sie endlich nach Hause käme. Ich liebte meinen Vater, aber er tanzte nicht mit mir durch die Küche oder spielte Schlagzeug auf dem Klavier oder sang mit mir im Duett. Er bekam mein Haar nie richtig glatt und zauberte nicht mit ein paar magischen Handgriffen meine Bauchschmerzen weg.
Ich brauchte meine Mutter mehr als alles andere auf der Welt. Ich wusste nur nicht, wie ich ihr das sagen sollte.
»Ich freue mich, dass du so gerne kochst, meine Maggie. Wie ich.«
Eine Träne lief ihr über die sommersprossige Wange - und sogar diese Träne sah müde aus. Das Lächeln gefror mir auf dem Gesicht. Nein, ich wollte nicht sein wie sie. Ihre Tränen machten mich verlegen. Ich war dreizehn und vollkommen verwirrt.
Und auch das schmerzt mich heute noch.
Dann kam mein Vater. Er trug ein Teetablett mit Blumenmuster, das sich in seinen großen, knochigen Händen irgendwie lächerlich ausnahm. »Na, wie geht es denn meinen beiden Lieblingsmädchen?«
Sein jovialer Ton schien in der Leere über dem Zickzackmuster des Teppichs zu verhallen. Wir starrten ihn beide an.
»Aber Dad!«, ermahnte ich ihn. »Und was ist mit Gar? Sie gehört doch auch zu deinen Lieblingsmädchen!«
Meine Mutter sah weg.
Vielleicht hat sie sich in diesem Moment entschieden.
Als wir auf dem Nachhauseweg waren, fragte ich ihn: »Kann ich zu Bel gehen, wenn wir zu Hause sind?«
»Nein«, versetzte er knapp, ganz anders als sonst. »Kannst du nicht. Es ist zu spät. Außerdem hast du noch Hausaufgaben zu machen. Und morgen hast du Schule.«
Ich schmollte, aber er bemerkte es nicht einmal. Dann legte ich meine Turnschuhe auf dem Armaturenbrett ab und fing an, Süße Siebzehn zu lesen. Er befahl mir
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