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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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nicht, diesen Unsinn wegzulegen, wie er das sonst getan hätte. Ja, er sagte mir nicht einmal, ich solle die Füße herunternehmen.
    Eine Woche später musste er die Ferien in Frankreich absagen.
     
    Irgendwo zwischen Reading und London kam Nebel auf und legte sich in dicken Schichten über die Fahrbahn. Er hing in der Luft wie nasser Zuckerguss. Als wir die Außenbezirke Londons erreichten, war der Nebel so dick, dass wir im Schritttempo fahren mussten. Am Kreisverkehr von Chiswick schlüpfte Seb in seinen Mantel. Mir wurde das Herz schwer.
    »Kannst du mich an der U-Bahn-Station Hammersmith rauslassen?«, fragte er.
    Das war’s also. Ein weiterer Mann verschwand im Nichts, buchstäblich vertrieben von meiner Familiengeschichte.
    »Sicher«, antwortete ich fröhlich, als wir an einer roten Ampel hielten. »Danke für das nette Wochenende.«
    Er lachte. »Das war’s dann also?«
    Ich sah ihn an. »Ich weiß nicht. Was meinst du denn?«
    »Ich würde das nicht so sehen, oder?«
    Lächelnd gab ich zurück: »Nein.«
    Er sah mich einen Augenblick lang an. »Ich weiß nicht, was an dir dran ist, Maggie, aber es ist jedenfalls nicht das, was ich erwartet hatte.«
    »Ach!« Es wurde Grün. »Und das soll ein Kompliment sein?«
    »Ja, meine Liebe. Es ist eins.« Er holte seinen Koffer vom Rücksitz. »Bis bald, Digby. Pass auf Maggie auf, tu mir den Gefallen.«
    Er küsste mich hart auf den Mund, dann war er verschwunden. Der Verkehr sog ihn auf, als er sich elegant durch die glitzernden Monster wand, bevor der Eingang zur U-Bahn ihn vollends verschluckte. Ich drehte die Stereoanlage wieder an und machte mich auf den Weg nach Hause. Und doch hatte ich das Gefühl, mein Herz in Cornwall gelassen zu haben.
     
    Der Montagmorgen am Borough Market war nach den chaotischen Wochenenden immer ruhig. Die Straße lag einsam und verlassen da, als ich den Wagen parkte, um meine Sachen auszuladen. Der Tortenshop, dessen einladende Schaufenster mich sonst begrüßten wie die Lichter eines Leuchtturms, hatte sich hinter geschlossenen Läden versteckt. Der Nebel war so dicht, dass ich kaum bis zur nächsten Straßenlaterne sah. Digby hatte sich verzogen, kaum dass ich die Autotür geöffnet hatte. Ich pfiff nach ihm. Mir war kalt, ich wollte so schnell wie möglich hinein.
    Hektisch suchte ich in meiner Tasche nach den Schlüsseln und ärgerte mich, weil ich sie vor lauter Ungeschicklichkeit nicht fand. Ich stellte den Gemüsekorb aus Pendarlin vor die Tür, neben die Reisetasche, die ich immer gepackt hatte, um schnell irgendwo übernachten zu können. Die Tür roch immer noch nach Farbe. Und sie war nur einmal verschlossen. Ich runzelte die Stirn. Ich war mir sicher, dass ich den Schlüssel zweimal umgedreht hatte. Vielleicht täuschte ich mich aber auch, schließlich war Freitag der Tag gewesen, an dem ich Bel zum Flughafen gebracht hatte …
    Sobald ich die Tür geöffnet hatte, schlug mir ein elender Gestank entgegen. Ich pfiff nach dem verdammten Hund, aber er kam einfach nicht. Ich schnappte draußen noch mal nach Luft und stählte mich gegen den eigenartigen Geruch. Ich stieß die Tür mit dem Koffer auf und ging die Treppen hinauf.
    Oben auf der Treppe blieb ich wie angewurzelt stehen. Meine Hand am Griff der Reisetasche war unvermittelt feucht geworden. Ich starrte auf mein Wohnzimmer hinab und konnte es einfach nicht begreifen.
    »Mein Gott!«, entfuhr es mir.
    Mir bot sich ein Bild totaler Verwüstung … als hätte das Wohnzimmer Schiffbruch erlitten. Die Wohnung war hinüber, alles kaputt, meine Welt drunter und drüber: Dies konnte nur jemand getan haben, der mich hasste. Der Inhalt des Abfalleimers lag über den Küchenboden verstreut, faulende Gemüsereste, alte Teebeutel, abgenagte Knochen … und das war noch nicht alles. Alex’ Bild von der Morgendämmerung über dem Waterloo-Bahnhof, das über dem Kamin hing, war in Fetzen geschnitten. Meine Fotos lagen in zerschmetterten Rahmen auf dem Boden verstreut. Jedes Buch, jede CD war aus dem Regal gezogen und durch den Raum geschleudert worden. Die Treppe, die vom Schlafzimmer ins Wohnzimmer führte, war mit Kleidungsstücken übersät. Ich sah genauer hin. Jedes einzelne Stück Unterwäsche, das ich besaß, lag da.
    Und über der Rückwand, die einst in makellosem Weiß leuchtete, stand in großen roten Lettern, die wie geronnenes Blut wirkten:
    Ich komme näher.
    Was war das nur für ein schrecklicher Geruch? Ich spürte ihn in meinem Mund, heiß und fleischig. Mir

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