Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
nicht, was ich tun sollte, also rief ich die Polizei und einen Krankenwagen. Die Sanitäter nahmen ihn mit. Joseph war so betrunken, dass ich nicht einmal mit ihm sprechen konnte. Es war unmöglich, ihn zu fragen, wie er überhaupt hier hereingekommen war. Zum ersten Mal seit Wochen hatte ich das Gefühl, dass ich mich nach Arbeit sehnte. Ich wollte zurück ins Büro, unter Menschen. Ein Polizist fuhr mit Joseph im Krankenwagen mit. Dann hatte der Schlosser seine Arbeit beendet und gab mir meine neuen Schlüssel. Vollkommen verwirrt fuhr ich wieder zurück ins Büro.
Wenig später rief Inspektor Fox an.
»Wir haben Blake verhaftet«, sagte er unverblümt. Mein Inneres zog sich zusammen.
»Wieso?«, fragte ich wie betäubt.
»Maggie«, meinte der Polizist müde, »ich dachte, Sie freuen sich, dass wir Ihren Stalker gefasst haben.«
»Meinen Stalker?« Das Wort hörte sich irgendwie komisch an. Andere Menschen wurden von Stalkern verfolgt: berühmte, wichtige Menschen. Aber doch nicht ich. »Meinen Stalker«, wiederholte ich.
»Geht es Ihnen gut, Mädchen?«, fragte Fox.
»Ich denke schon.« So genau konnte ich das nicht mehr sagen. »Wie ist er in die Wohnung gekommen?«
»Er hatte Schlüssel.«
»Meine Schlüssel?« Diese verdammten Schlüssel. Sie schienen mich zu verfolgen. Als würden sie sich ununterbrochen vervielfältigen - ein wahrer Schlüsselalbtraum.
»Er meinte, Sie hätten sie ihm gegeben.«
»Das stimmt nicht.«
»Gut.«
»Ich habe sie ihm wirklich nicht gegeben«, sagte ich gekränkt. Wenn jetzt noch jemand behauptete, ich hätte etwas getan, was ich nicht getan hatte, dann …
»Nun, ich dachte mir das schon, aber er kann verdammt überzeugend sein. Hatte er denn in letzter Zeit Zugang zu Ihren Schlüsseln? Hätte er sich die Schlüssel nachmachen lassen können?«
Ich dachte an meinen fehlenden Terminkalender, der wieder aufgetaucht war. Und an Donnas Adressbuch. »Ich nehme an, dass er das getan hat.«
»Wussten Sie, dass er schon ein Verfahren wegen Belästigung hatte?«
»Nein.« Ich war schockiert. »Sind Sie da sicher?«
»Natürlich bin ich sicher. Ein Mädchen, mit dem er studiert hat. Er ließ sie einfach nicht mehr in Ruhe. Sie zeigte ihn an, aber er kam mit einer Verwarnung davon. Es ist meist recht schwierig, in solchen Fällen handfeste Beweise zu finden.«
»Richtig.« Ich räusperte mich. »Haben Sie ihn gefragt, was … was genau er in der Wohnung wollte?«
»Er meinte, er habe auf Sie gewartet, um mit Ihnen zu reden.«
»Lieber Gott. Der arme Junge.«
»Ich muss schon sagen, Maggie, Sie stecken das hervorragend weg.«
»Finden Sie?«, fragte ich gedehnt. »Ehrlich gesagt, Inspektor Fox…« Ich legte eine Pause ein. Ich sah mein schönes Kleid um Josephs plumpen weißen Körper gewickelt, wie ein Schmetterling, der sich aus seiner Verpuppung windet. Der Junge war einfach abstoßend. »Ehrlich gesagt bin ich nur erleichtert. Denn wenn Sie ihn jetzt gefasst haben und wenn er es war, der eingebrochen ist und mich ständig belästigt hat, dann heißt das doch … dann heißt das doch, dass jetzt alles vorüber ist, oder?«
»Ja, das würde ich auch sagen. Zumindest heute Nacht können Sie friedlich schlafen.«
»Das hoffe ich, Inspektor Fox. Das hoffe ich wirklich.«
Ich legte das Telefon bedächtig auf den Tisch. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, was geschehen war.
Während ich mit Renee im überfälligen Meeting saß, kam ein weiterer Anruf von Bel.
»Ich habe so einen grauenhaften Jetlag«, klagte sie auf dem Anrufbeantworter in meinem Büro. »Ich kann überhaupt nicht schlafen. Außerdem ist mir eingefallen, was ich dir alles sagen wollte, Mag. Warum gehst du nur nie ans Telefon? Ruf mich am nächsten Morgen auf Johnnos Handy an, okay? Am Morgen in England, meine ich. Oder? Lieber Gott, keine Ahnung. Mein Gehirn ist Matsch. Es ist so verdammt heiß hier. Hannah lässt dir ein dickes Bussi geben.«
Endlich hatten wir für die Show morgen alles durch. Ich rief Susan an und fragte, wie es Gar gehe. Mein Vater hatte sie besucht, als ich in Cornwall war. Er hatte mir versichert, dass es ihr so gut gehe, wie es bei ihr nur möglich sei. Auch Susan meinte, meine Großmutter sei wohlauf. Ich versprach, morgen nach der Arbeit vorbeizukommen.
Ich legte auf und sah wieder das Aquarell von Pendarlin an, das in meinem Büro hing. Ich dachte an Joseph Blake: Wie traurig und leer musste sein Leben sein, dass er solche Dinge anstellte? Ein Schauder lief mir
Weitere Kostenlose Bücher