Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
Hortensien gefallen wäre. Seine Lippen fühlten sich weich an auf den meinen, ich zögerte. Dann hörte er auf. Ich öffnete langsam meine Augen und sah in seine, die sehr grün waren.
»Was war das denn?«, sagte ich ruhig.
»Entschuldigung.« Die Röte überdeckte seine Sommersprossen.
»Sie müssen sich nicht entschuldigen«, murmelte ich. »Ich war nur ein wenig … überrascht.«
»Ich hätte nicht …«
»Psst.« Ich verschloss ihm mit dem Finger die Lippen. »Sie hätten doch. Es war nett. So hat man mich nicht mehr geküsst seit …«
Da küsste er mich nochmals. Er war einfach so nett, solch ein Kind, so unglaublich jung. Er schmeckte nach Wein und Tabak. Ich begehrte ihn nicht. Alles, was ich fühlte, war eine Art trunkener Süße eines Teenagers in den Ferien.
»Du siehst immer so traurig aus«, wisperte er.
»Traurig?«
»Du bist so schön … und trotzdem siehst du immer ein wenig gehetzt aus.«
Es berührte mich, dass er überhaupt bemerkt hatte, wie es mir ging. »Wahrscheinlich sah ich nur … ach, ich weiß auch nicht.« Ich versuchte zu lachen. »Vermutlich sehe ich nur total fertig aus.«
»Nein, nur einfach traurig.« Er strich mir das Haar aus dem Gesicht. »Und schön. Möchtest du …« Er räusperte sich nervös. »Möchtest du vielleicht mit zu mir kommen?«
»Ins Haus deines Vaters?« Ich lachte. »Das ist keine gute Idee, mein Süßer.«
Er sah verlegen weg, und ich fühlte mich sofort schuldig. »Entschuldige. Das war wohl ziemlich daneben. Es ist nur, weißt du, ich habe einen Freund.« Ich dachte an Alex. Und bemerkte, dass ich ihm gegenüber keinerlei Schuldgefühle hatte. Wieder sah ich Sam an, seine schwarz bewimperten Augen, die im Dunkeln zu leuchten schienen, und lächelte. »Du bist so süß.«
»Sag doch nicht so was.« Er bohrte mit seinem Stiefel im Kies herum. »Das hört sich so von oben herab an.«
»Aha!« Naz kam durch die Glastüren in den Hof, ihr Pagenkopf schimmerte. »Raucher, vereinigt euch!« Dann musterte sie uns. »Entschuldigt, sollte ich euch etwa gestört haben?«
Ich trat einen Schritt von Sam weg und bat Naz um eine Zigarette. »Red keinen Quatsch!«
Naz gab mir Feuer. »Hör mal, Ben und Jeff von der Serie Roar haben eine Suite im 12. Stock gebucht. Sie haben ein irres Sound-System und auch sonst noch ein paar nette Kleinigkeiten. Kommt doch später hoch.«
Damit kam Schwung in den Abend. Wir sausten in den riesigen Aufzügen zwischen dem Ballsaal und Suite 103 auf und ab. Irgendwann merkte ich, dass ich mich köstlich amüsierte. Johnson hatte Renee unten gelassen, wo sie mit Trevor McDonald, dem Nachrichtenmann von ITN, plauderte, der ihr höflicherweise nicht aus dem Weg ging. Er hatte sich mit Sams Stoff einen Joint gedreht, aber ich traute mich nicht zu rauchen. Ich war ohnehin schon ziemlich angesäuselt. Alle tranken Champagner und Mojitos und tanzten zu Kanye West. Irgendwann ging mir alles auf die Nerven, und ich hatte die glorreiche Idee, ebenfalls von Naz’ Koks zu versuchen. Es schien genau das Richtige zu sein, und Sam nahm auch eine Linie. Mit einem Mal war mir ganz sonderbar, und ich fühlte mich viel nüchterner als vorher. Ich sah alles unheimlich klar. Als hätte der Raum plötzlich aufgehört zu brodeln. Ich sah alles gestochen scharf, auch die Farben waren viel klarer als sonst. Ich spürte die Musik im ganzen Körper. Da zog Sam mich ins Badezimmer und schloss die Tür ab. Wir küssten uns wieder, und dieses Mal war es kein unschuldiger Kuss. Er setzte sich auf eine Ecke der Badewanne, ich beugte mich über ihn. Er knöpfte meine Bluse auf und küsste mich auf den Nacken. Das ist doch wirklich nett, hallte es dauernd in meinem Kopf wider, wirklich nett. Ich erlebte alles nur verschwommen, und dieses Mal musste ich gegen die Bilder ankämpfen, die ich sah: Alex in der Wohnung, noch vor wenigen Stunden. Dann hämmerte plötzlich jemand gegen die Tür. Ich fuhr hoch. Die Tür ging auf. Da stand Johnson.
»Verdammt, da sucht Sie jemand … und Joseph hat ihm gesagt, dass Sie hier sind. Er sieht nicht gerade fröhlich aus.«
Dann sagte Johnson etwas zu Sam, da war Alex schon hinter ihm. Ich hatte nicht einmal genug Zeit gehabt, mir meine Bluse zuzuknöpfen. Alex riss mich am Arm von Sam weg. Dann war er über ihm. Er packte ihn, zog ihn hoch, und dann holte er aus. Die Faust landete so hart auf Sams Nase, dass ich die Knochen splittern hörte.
»Sam«, schrie ich, doch es war zu spät. Alex hob mich hoch und schleifte
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