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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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Heidekraut die letzte Sonne zu genießen, aber wir sprachen kein Wort. Digby schnüffelte auf der Suche nach Hasenlöchern fröhlich herum. Ich aber sah schweigend in den blauen Himmel, auf die winzigen Fischerboote und die leuchtenden Bojen, die auf dem türkisfarbenen Meer tanzten. Ich wusste, dass Bel Recht hatte, auch wenn ich diesen Mann liebte: Er war so kaputt, dass ich ihn nicht retten konnte. Ich konnte ihn nicht aus seinen Abgründen zurückholen.
    Und dann fing Digby eine Feldmaus. Er war ja so stolz, aber ich war den Tränen nahe, als ich sah, wie ihre winzigen Füßchen aus dem speichelnden Maul des Hundes hingen. Alex musste den kleinen Leichnam entsorgen.
    Schweigend räumten wir das Cottage auf, packten alles ins Auto und machten uns auf den Weg zurück nach London. Irgendwo auf dem Rückweg begann der Motor zu stottern. Das Auto rauchte, der Regen setzte ein, und schließlich begannen wir zu streiten. Ich schleuderte ihm entgegen, er habe mein Herz gebrochen, Klischees hin oder her. Er sei mit seinen riesigen Füßen darauf herumgetrampelt. Es hätte alles ganz anders sein können mit uns, aber so war es nun mal nicht. Ich sagte ihm, ich wolle ihn nicht mehr sehen, es sei aus und vorbei. Wenn er sich nicht endlich am Riemen reißen würde. Sein Gesicht wurde weiß vor Wut. »Gut«, antwortete er. An diesem Punkt hätte ich fast gesagt, es täte mir leid, denn ich hätte noch nie einen Mann so geliebt wie ihn. Aber in diesem Moment kam die Straßenwacht. Ich stieg ein. Der Mann brachte mich zum nächsten Busbahnhof, weil mit dem Auto an eine Weiterfahrt nicht zu denken war. Der Motor war hinüber, hinüber wie unsere verdammte Liebe. Alex schenkte mir nicht einen Blick, als der Abschleppwagen davonfuhr. Nur Digby hechelte fröhlich hinter der Windschutzscheibe, als wäre er gerade um die Ecke gebogen. Und dann stieg ich in den Bus ein. In mir schien alles tot. Und der Bus trug mich meinem schrecklichen Schicksal entgegen.
     

Kapitel 38
    Der Kopf sackte mir auf die Brust, und ich fuhr erschrocken auf. Vor meinen Augen wippten zwei schwarze Striche hin und her, hypnotisch fast, hin und her, hin und her … Dabei hatte der Regen längst aufgehört. Ich stellte die Scheibenwischer ab und öffnete das Fenster weit, um die kühle Nachtluft hereinzulassen. Ich war fast angekommen, und so ließ ich den Wagen auf der Standspur ausrollen.
    Der scharfe Wind peitschte mein kurzes Haar zu kleinen Wellenkämmen, als ich ausstieg. Ein Supermarkt-Lastzug donnerte an mir vorbei und hupte. Ich schwankte ein wenig, als mich der Fahrtwind streifte. Dann zog ich den Mantel eng um mich und stolperte in die Dunkelheit hinaus.
     
    IM GEDENKEN AN DIE TAPFEREN MENSCHEN, DIE WIR IN JENER TRAGISCHEN NACHT VERLOREN.
     
    Ich starrte die Gedenktafel aus Messing an, nahm die verblühten Kränze in mich auf, die einzelne Rose in ihrer Kunststoffhülle … mir bedeutete all das nichts. Ich war nicht mehr der Mensch, der vor wenigen Monaten zutiefst verletzt diesen Bus bestiegen hatte. Ich war nicht mehr der Mensch, der letzten Sommer gegen seinen Willen in jene Abwärtsspirale geraten war, die Charlie mir vorhergesagt hatte und die noch andauerte, während ich mich im Haus meines Vaters auskurierte. Ich war nicht mehr die Frau, die um ihre Mutter weinte, über ihren Freund und über den Abgrund an Einsamkeit, in dem sie zu versinken drohte. Ich war nicht mehr jene, die sich im übertragenen Sinne an der Schulter ihres Therapeuten ausweinte, eines freundlichen älteren Herrn mit traurigen Augen und kurz geschnittenem Bart und einer Nase, die in einem Knubbel endete. Eines Herrn, den mein panischer Vater bezahlte, damit er mir zuhörte und mir versicherte, dass ich nicht verrückt war. Dass ich mehr war als nur meiner Mutter Tochter. Dass bald wieder alles in Ordnung käme und ich bald über dieses Trauma hinweg sein würde.
    Die Wahrheit war, dass ich immer noch stumme Schreie ausstieß, die in der gähnenden Leere widerhallten, welche der Tod meiner Mutter in mir aufgerissen hatte. Eine Krypta, die Alex mit dem, was er jüngst getan hatte, wieder geöffnet hatte.
    Bei unserer letzten Sitzung sah der Mann mit der knubbligen Nase mich forschend an. »Ihr Freund, Maggie, ist, wie Sie sagten, ein Mann mit einem massiven Suchtproblem: Warum haben Sie sich ausgerechnet ihn ausgesucht?«
    Ich starrte traurig aus dem Fenster, vor dem sich eine Wolke bildete, die aussah wie der flache Brauthut meiner Mutter. Sie jagte eilig vorüber. »Er

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