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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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einfach jemanden, ob er mit Ihnen in die Mittagspause geht?«
    »Hab ich schon probiert, aber sie geben mir nie Antwort.«
    »Dann reden Sie doch mit ihnen.«
    Seine Unterlippe begann zu zittern wie bei Hannah, kurz bevor sie zu weinen anfängt. Der Ärmste.
    »Sehen Sie, Neue haben es immer schwer. Und das Büro ist nun mal sehr, wie soll ich sagen … weiblich. Mir ist das durchaus bewusst. Wenn Sie möchten, rede ich mit den Mädchen.«
    Wieder zuckte er mit den Schultern. Ich fragte mich, wie viel von dem ganzen Elend wohl auf sein eigenes Konto ging. Er war keine sehr einnehmende Persönlichkeit. Seine ganze Art hatte etwas Arrogantes, trotz der Tränen und allem. Das Problem war einfach: Um bei Fernsehleuten anzukommen, braucht man eine gewisse Portion Charme, und der fehlte ihm schlicht und ergreifend.
    »Aber macht das nicht alles noch schlimmer? In der Schule war es jedenfalls so, als meine Eltern sich damals beschwerten.«
    Aha! »Wirklich? Wurden Sie denn von Ihren Mitschülern schikaniert?«
    »Ja.«
    »Wieso?«
    »Sie sagten immer, ich sei überheblich.«
    Er war überheblich. »Ich werd’s subtil machen, ich verspreche es Ihnen. Sicher bilden Sie sich das alles nur ein.«
    Unglücklicherweise war das keineswegs so. In Wahrheit verachteten sie ihn.
    »Er ist echt so eine Null«, maulte Donna, als ich die vermutlichen Rädelsführerinnen in mein Büro holte, nachdem ich Joseph mit ein paar Bändern zum Synchronisieren in eine andere Abteilung geschickt hatte. »Dauernd beschwert er sich, dass wir ihm nur die langweiligen Jobs geben.«
    »Und? Tut ihr das?«
    »Natürlich!« Aufsässig sah sie mich an. Ihr dunkles Gesicht wirkte mürrisch. Wäre ich neu gewesen, ich hätte mich mit jemandem wie Donna sicher nicht anlegen wollen. Sie war von der entschlossenen Sorte. Wenn sie es gewollt hätte, hätte sie vermutlich sogar Tony Blair und George W. Bush dazu gebracht, aufeinander loszugehen.
    »Du weißt doch, wie das läuft, Maggie. Jeder fängt nun mal klein an und muss sich durchbeißen. Das war bei uns allen so. Außerdem ist er …«, sie schniefte ein bisschen und musterte dann beiläufig ihre pinkfarbenen Nägel, »… merkwürdig.«
    »Was meinst du mit ›merkwürdig‹?«
    »Nun, er schnüffelt immer herum.« Sie strich sich ihre langen Zöpfe zurück über die Schultern und presste trotzig ihre vollen Lippen aufeinander.
    »Er ist einfach nur eingebildet, das ist wohl das Hauptproblem.« Sallys breites, angenehmes Gesicht wirkte nachdenklich. »Er bringt alle gegen sich auf, weil er einem immer das Gefühl gibt, als wäre er zu gut für die Aufgaben, die wir ihm übertragen.«
    »Habt ihr ihm das schon gesagt?«
    »Das war im Sommer doch nicht anders.«
    Ich bekam eine Gänsehaut. Unwillkürlich schüttelte ich den Kopf, als würde mir das die Erinnerung zurückbringen.
    »Ich habe versucht, mit ihm zu reden, aber er posaunt nur immer herum, dass er bald ein großer Drehbuchautor sein wird und dass dies nur eine Durchgangsstation ist.«
    Ich seufzte. Noch ein Nick-Broomfield-Verschnitt, der uns mit seiner Kunst retten wollte. »Verstehe. Aber geben wir ihm doch noch eine Chance, okay? Ich rede mit ihm.« Ich sah Donna an. »Und seid ein bisschen nett zu ihm, ja? Ich weiß, dass ihr die Leute ganz schön einschüchtern könnt, wenn ihr’s drauf anlegt.«
    Sie grinste ein wenig und hob abwehrend die Handflächen. Sinnigerweise war auf ihrem engen T-Shirt zu lesen: Respektiere mich! »Okay, okay.«
    Sally blieb noch da, nachdem die anderen mein Büro bereits verlassen hatten. »Weißt du, Maggie, ich glaube, der wird hier niemals reinpassen. Er ist einfach einer von diesen seltsamen Jungs, wie man sie aus der Schule kennt. So einer, der sich imaginäre Freunde ausdenkt, mit denen er dann in der Pause spielt.«
    »Ja, ich weiß. Doch die Mädchenmeute ist auch ziemlich gnadenlos, wie wir beide wissen.«
    »Stimmt.« Sie grinste. »Dann gehst du also heute Abend zu Bels Party?«
    »Ach du liebe Zeit!« Ich schlug mir mit der flachen Hand auf die Stirn. »Ich habe vergessen, mein Kleid abzuholen. Sie wird mich umbringen.« Schnell warf ich einen Blick auf Charlies leeres Büro. »Wenn ich es nicht gleich hole, bekomme ich Ärger.«
    »Geh ruhig«, meinte Sally. »Ich gebe dir Deckung.«
    Ich schnappte mir Mantel und Tasche. »Wenn ich Glück habe, ist Charlie ohnehin viel zu sauer, um zu bemerken, dass ich nicht da bin.«
     
    In einer dunklen Seitenstraße in der Nähe von Covent Garden fand ich den

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