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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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todschicken Laden, in den Bel mich geschickt hatte. Im Schaufenster prangten einige der teuersten Klamotten Londons - durch die Bank nur Edelzwirn der umwerfenden Art: minziges Grün, peppiges Pink, goldener Satin und silberne Spitze. Darunter Schuhe mit 15-Zentimeter-Absätzen, die arglose Füße im Nu lahmlegten. Nichts davon machte sich gut an mir, doch mein Schicksal war besiegelt. Als sie mich an der Tür herumlungern sah, stürzte die Größe-34-Verkäuferin auf mich zu und nahm mir mit kaum verhohlener Verachtung meinen Polystyrol-Kaffeebecher ab. »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte sie, wobei sie sich kaum die Mühe machte, ihre verächtliche Miene etwas freundlicher wirken zu lassen.
    »Ich möchte ein Kleid abholen, das Bel Whitemore für mich bestellt hat.« Nervös ließ ich meinen Blick über all die Volants, rücken- und schulterfreien Tops, die Mikrominis und Hüftschlitze wandern. »Lieber Himmel, hoffentlich fällt das Ding nicht allzu sehr auf.«
    Die Verkäuferin durchwühlte bebänderten Chiffon und andere Nichtigkeiten, um das Kleid zu finden, das Bel für mich ausgesucht hatte.
    »Sie sind ja so mutig, diese Farbe zu tragen. Rotes Haar ist immer so schlecht zu kombinieren.«
    Heroisch ignorierte ich sie, als ich in das wunderschöne, bodenlange Kleid in Waldgrün schlüpfte, das vorn und hinten ziemlich weit ausgeschnitten war. Dazu gab mir die Verkäuferin Stilettos, die ein Herr namens Manolo Blahnik entworfen hatte. Ihre perfekt gezupften Augenbrauen bildeten spitze Winkel nach oben, als ich gestand, noch nie etwas von diesem Designer gehört zu haben.
    »Aber alle tragen Blahniks«, antwortete sie strafend und beobachtete mich, wie ich meine Füße in die Riemchen zwängte, die die Killerabsätze schmerzhaft an meinen Fußsohlen fixierten.
    »Hört sich eher an wie ein Raumschiff«, versuchte ich mich an einem Scherz, der sie wieder nicht zum Lachen brachte. Nur als sie die Narbe an meinem Bein sah, zeigte sie eine Reaktion: Sie wurde ein wenig blasser.
    Ängstlich wackelte ich auf den mannshohen Spiegel zu und starrte mich einen Augenblick lang an. Als ich das Preisschild sah, wäre ich fast in Ohnmacht gefallen.
    »Danke für Ihre Hilfe, aber ich glaube …«
    Doch die Verkäuferin war längst entschwebt und unterhielt sich mit einer Kundin, ebenfalls Größe 34, die soeben den Laden betreten hatte. Zu meinem Bedauern war es ausgerechnet Serena. Ich rüstete mich zum Gruß, doch sie sah gelangweilt durch mich hindurch, makellos in ihrem langen Ledermantel. Dann zog sie den Gürtel um ihre Wespentaille fester und sprach weiter. Ich meinte, sie von Hochzeit reden zu hören, zog mich aber eilig in die Umkleidekabine zurück, wo ich mich auf den Hocker in der Ecke sinken ließ.
    Als ich wieder herauskam, bewunderte Serena gerade ihre verschiedenen Spiegelbilder, alle in Schlangenlederstiefeln von schwindelnder Absatzhöhe. Wie passend, dachte ich nicht ohne Sarkasmus.
    Ich kaufte das Kleid, nur um zu zeigen, dass ich genauso viel Stil hatte wie die beiden. Und als ich geschäftig aus dem Laden hinausschoss, ließ ich die Tür hinter mir laut ins Schloss fallen. Auf der Straße war viel los, Covent Garden vibrierte wie immer vor Leben. Ich aber hatte das Gefühl, die Orientierung verloren zu haben und hilflos auf hoher See zu treiben.
    Aus einem unerfindlichen Grund brauchte ich ewig, um zurück ins Büro zu kommen.
     
    Zur Demonstration seiner Macht, deren Härte wohl etwas mit meinem nachmittäglichen Ausflug zu tun hatte, hatte Charlie dafür gesorgt, dass ich einen riesigen Stapel Akten für das Montagsprogramm auf meinem Schreibtisch vorfand. Ich hatte Renee am Telefon eben die wichtigsten Punkte durchgegeben, als er hereinkam und mir seinen Brandy-Atem entgegenhauchte.
    »Toller Lunch mit Alan Yentob«, krähte er und zog ein Buch über die Verlorenen Gärten von Heligan aus meinem Regal. »Er ist schon ganz heiß auf mein neues Format, eine Wissensshow für den Mann von der Straße. Zeitgeschehen für Schwachköpfe, sozusagen.«
    »Ach wirklich?«, fragte ich höflich. Es war kaum vorstellbar, dass eine Fernsehgröße wie Yentob sich zu Charlies Leibeigenem machen ließe.
    »Ja, wirklich.« Er ließ sich auf einer Ecke meines Schreibtisches nieder. »Ich denke mal, wir nennen die Show Einfach ausgedrückt . Sieh an, irgendwie hätte ich nicht gedacht, dass du dich für das Landleben interessierst«, meinte er, während er das Gartenbuch durchblätterte. »Cornwall ist doch total aus der

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