Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
mich näher an den Türspalt heran. Jetzt erkannte ich den Sprecher. Es war Joseph Blake. Er hatte die Füße auf dem Tisch abgelegt, die Telefonschnur um einen seiner kurzen Finger gewickelt. Er sah sogar im Halbdunkel blasiert aus. Sein glänzendes Gesicht war nur zur Hälfte sichtbar, doch seine Augen verengten sich zu Schlitzen, während er seinem Gesprächspartner zuhörte. Plötzlich stiegen in meinem Kopf Erinnerungsfetzen hoch … Joseph in einem Abendanzug und …
Ein Schauder durchfuhr mich. Das war in der Nacht, als …
Doch dann erklang wieder seine Stimme, und die Erinnerung versank von Neuem im Dunkel.
»Natürlich bekommen Sie von mir nur die Guten. Die Wichtigsten jedenfalls. Für das Recht …«
Ich wollte mich gerade davonschleichen, doch blieb ich mit einem Zipfel meines Kleides an einem Schreibtisch hängen, sodass mein angeschlagenes Sprunggelenk gegen das Tischbein knallte. Der Schmerz war so heftig, dass ich aufstöhnte. Sofort sprang Joseph hoch und warf den Hörer auf die Gabel.
»Wer ist da?« Seine Stimme klang scharf durch die Dunkelheit.
»O Gott, Joseph. Haben Sie mich erschreckt!« Ich riss die Tür auf. Mein Herz klopfte so sehr, dass ich schon fürchtete, er könne dies durch den dünnen Stoff hindurch sehen. »Ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen. Was tun Sie denn hier? Weiß Charlie, dass Sie sein Telefon benutzen?«
»Ich weiß nicht.« Er verzog die Lippen zu einem hässlichen Schmollmund. »Ich hatte noch einen Anruf zu erledigen.«
»Was für einen Anruf denn?«
Wir sahen uns einen Augenblick lang in die Augen, dann senkte er schuldbewusst den Blick. Über seinem Gesicht lag in Streifen das bleiche Licht von Charlies Schreibtischlampe.
»Es war geschäftlich«, murmelte er schließlich. »Nur geschäftlich. Wissen Sie, ich habe ja keinen eigenen Schreibtisch mehr. Ich brauchte einfach ein Telefon.«
»Nun, es ist zwar sehr löblich, wenn Sie am Freitag bis spät in die Abendstunden arbeiten, aber das sollten Sie nicht im Büro anderer Leute tun.« Ich kämpfte meinen Zorn nieder, als er mir einen wütenden Blick zuwarf, als wäre ich es, die im Unrecht war. »Hier draußen gibt es eine Menge Telefone. Jetzt kommen Sie schon«, winkte ich ihn ungeduldig in meine Richtung. »Und helfen Sie mir, den Reißverschluss zuzumachen. Dann können wir hier raus.«
Mit einer verstohlenen Bewegung schob er etwas in die Tasche.
»Was war das?« Ich kniff die Augen zusammen, um besser sehen zu können.
»Was?« Joseph folgte meinem Blick. »Ach das. Das ist nur mein Tagebuch.«
Entnervt drehte ich mich um und eilte zum Ausgang. Bels Party hatte anfänglich für mich ja wenig Reiz gehabt, aber mittlerweile hatte ich das Gefühl, unter vielen Menschen sicherer zu sein. Auf jeden Fall weit, weit weg von dem Schnüffler Joseph.
Kapitel 11
Unter den vielen Gesichtern auf der Party entdeckte ich immer wieder auch alte Freunde - herausgeputzt wie Weihnachtsbäume. Die Frauen schälten sich in Samt und Seide aus den Mänteln, die Herren stolzierten wie die Pfauen übers Parkett. Zigarettenrauch und teures Parfüm sorgten dafür, dass die Luft bald zum Schneiden dick war. Ich trank mir Mut an, und als ich bemerkte, dass Alex nicht aufgetaucht war, begann ich fast, mich zu amüsieren. Ich winkte meiner Freundin Naz zu, die in einer cremefarbenen indischen Tunika mit Hose erschienen war. Sofort kam sie zu mir herüber und erzählte mir, die BBC habe ihr einen Job angeboten. Da spürte ich eine Berührung an der Schulter. Sanft, aber entschlossen.
»Schönes Kleid.« Als ich mich umdrehte, sah ich in Fays silbrig geschminkte Augen, die mich eindringlich musterten. »Champagner?« Sie sah umwerfend aus in dem hübschen schwarz-weißen Kellnerinnendress. Ihre Löckchen hüpften um das dreieckige Gesicht mit den violetten Augen. Ich war mehr als überrascht, sie hier zu sehen.
Wenn Fay bemerkt haben sollte, wie sehr mich ihr Anblick verblüffte, ließ sie sich das zumindest nicht anmerken. »Das Grün steht Ihnen wirklich ausgezeichnet. Ich hätte auch gern so ein Kleid.«
»Danke.« Ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen. »Was tun … Ich meine, ich hätte Sie hier nicht erwartet.«
»Ich bin ein Besonderes Barfräulein.« Stolz lächelte sie.
»Ein was?« Es gelang mir mit Mühe, mein Entsetzen zu unterdrücken.
»Ist doch super! Ich arbeite bei den Besonderen Barfräulein, wenn ich nicht im Fernsehen bin. Lustig, dass man mich ausgerechnet hierher abkommandiert hat,
Weitere Kostenlose Bücher