Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
letzte Verabredungen für die Party am Freitagabend traf. Dann tranken wir Rotwein und hörten zu, wie Johnno eher schlecht als recht Gitarre spielte und uns in seinem breitesten Australienslang Songs von Richard Harris vorflötete.
Erst als ich auf dem Weg nach Hause war, kam das vertraute, leicht unheimliche Gefühl wieder auf. Es ging ja nicht nur darum, dass irgendein Irrer mir schreckliche Blumensträuße schickte. Ich fühlte mich auch so vollkommen haltlos im Moment. Ich wusste, dass ich das Haus meines Vaters allmählich verlassen musste, dass ich aus Greenwich wegziehen würde. Er und Jenny verstanden sich immer besser. Sie verdienten eine echte Chance nach allem, was er mitgemacht hatte. Und auch ich brauchte allmählich wieder einen Platz für mich allein. Ich musste anfangen, mein Leben unabhängig von Alex zu leben. Wir würden die gemeinsame Wohnung am Borough Market verkaufen müssen. Und dazu würde ich ihn wohl oder übel sehen müssen.
Mein Handy klingelte. »Hallo?« Fast hätte ich den parkenden Wagen links von mir gerammt. »Hallo?«, wiederholte ich irritiert. »Wer ist denn dran?«
Kein Wort. Dieses Mal aber hätte ich schwören können, dass ich jemand atmen hörte. Wütend schleuderte ich das Handy auf den Boden. Mit der Folge, dass mich auf dem ganzen Nachhauseweg sein leuchtendes Display unnachsichtig anblinkte.
Kapitel 10
Am Morgen vor Bels großer Party fand ich Joseph Blake schmollend auf der Feuertreppe des Büros. Der Tag war kalt und sonnig, der Himmel so hell und klar wie auf einem Druck von David Hockney. Die Luft fünfzehn Stockwerke über den Straßen um die Waterloo Station war weit besser als unten im Straßengewirr. Ich schlich mich hinaus, um eine Zigarette zu rauchen, und genoss schuldbewusst jeden einzelnen Zug. Wie gerne hätte ich mir dieses Fest heute Abend erspart. Plötzlich hörte ich ein unterdrücktes Geräusch über mir.
»Hallo?«, rief ich leise die Treppe hinauf. Keine Antwort. »Wer ist da? Ist bei Ihnen alles in Ordnung?«
Einen Augenblick später tauchte Josephs fleckiges, gerötetes Gesicht auf. »Oh«, sagte er ungnädig. »Sie sind das!«
»Ja. Zumindest war ich’s noch, als ich zum letzten Mal in den Spiegel geschaut habe. Wollen Sie eine Zigarette?«
Er stand auf und schlich wie ein begossener Pudel über die Treppe auf mich zu. Dabei schüttelte er den Kopf, sodass ihm das blonde Haar über die Augen flog. »Nein, ich rauche nicht.«
»Nun, das sollte ich auch nicht. Aber ein oder zwei Laster braucht schließlich jeder Mensch. Sonst wäre das Leben ja wirklich langweilig, finden Sie nicht?«
Wenig mitteilsam zuckte er mit den Schultern und stieß mit der Spitze seiner Wildleder-Sneakers gegen die Metallstufen.
»Möchten Sie darüber reden?«
Erneutes Schulterzucken und Fußscharren. Ich spürte, wie mich ein ungeduldiges Kribbeln überlief. Wieder zog ich an meiner Zigarette. »Wenn Sie mir nicht sagen, was schiefläuft, Joseph, kann ich Ihnen auch nicht helfen.«
Einen Augenblick lang zögerte er und ließ seinen Blick über die Dächerlandschaft schweifen. Im Gebäude gegenüber lehnten sich zwei junge Männer rauchend aus dem Fenster. Einer von ihnen fing meinen Blick auf und winkte fröhlich herüber. Ich winkte zurück. Joseph hatte sich schließlich ein Herz gefasst und murmelte: »Es ist nur … die da …«
Dabei deutete er mit dem Kopf hinter uns, wo die Mädels im Großraumbüro zusammensaßen. Ich warf einen Blick über die Schulter. Von hier aus sah das Ganze fast aus wie ein Spot für ein junges Modelabel: Miniröcke und Skinny-Jeans, Ugg-Stiefel und Stilettos, das Haar vom Edelcoiffeur sorgfältig in lässige Locken gelegt, die sie nun um ihre Kugelschreiber wickelten. Sie kritzelten etwas auf ein Stück Papier oder trommelten mit den bonbonfarbenen Fingernägeln auf der Schreibtischplatte herum, während sie darauf warteten, dass irgendwelche armen Opfer am anderen Ende der Leitung ihre Antwort herunterstotterten. Wenn sie auf ihre Gesprächspartner einredeten und dabei auf ihre Tastatur hämmerten, wurde es da drin manchmal so laut, dass man buchstäblich einen Moment hinausgehen musste, um sich selbst noch denken zu hören.
»Sie können mich nicht leiden.«
»Ich bin sicher, dass das nicht stimmt.« Innerlich seufzte ich. Eigentlich war ich mir sicher, dass es durchaus stimmte.
»Sie fragen mich nie, ob ich zum Mittagessen mitkommen will.«
»Sie müssen sich einfach erst an Sie gewöhnen. Warum fragen Sie nicht
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