Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
Vom Netzwerk:
sich durchsetzen würde, war noch nicht klar. Offen gestanden war mir das an diesem Morgen auch völlig egal. Der Kaffee, den mir Baileys Zerberus, seine Assistentin Charlene, anbot, als sie mich in den zehnten Stock begleitete, interessierte mich wesentlich mehr.
    »So stark wie möglich, bitte«, bat ich sie. Schwindlig vor Müdigkeit sackte ich auf dem bumerangförmigen Ledersofa vor Baileys Büro zusammen und wühlte nach meinen Zigaretten, sobald ich den riesigen gläsernen Aschenbecher entdeckt hatte.
    »Rauchen ist hier streng verboten«, meinte Charlene, die Lippen zu einem dünnen Strich zusammengepresst, als sie mir einen Becher ebenso dünnen Kaffees hinhielt. Ich erinnerte mich noch genau an den behaarten Leberfleck unter ihrem linken Nasenloch. »Mr Baileys erstes Meeting heute dauert leider ein bisschen länger.«
    Ich lächelte matt. Es war acht Uhr morgens. Der Mann arbeitete offensichtlich wie ein Besessener.
    Ich nuckelte an dem ungenießbaren Kaffee, da flog plötzlich in einem uneinsehbaren Teil des Flurs eine Tür krachend auf. In der Lobby waren verärgerte Stimmen zu hören. Charlene kam auf Betriebstemperatur und bestellte laut einen Wagen für Mr Bailey - in zehn Minuten. (Der Mut sank mir beträchtlich, als ich hörte, welche Unmengen Zeit er mir zubilligte.) Doch obwohl Charlene sich Mühe gab, die lauten Stimmen zu übertönen, verstand ich alles bestens.
    »Du spinnst doch, Pa. Du machst aus dir eine Lachnummer. Und du machst das Ganze doch nur, um zu provozieren. Das finde ich am schlimmsten.«
    Von irgendwoher ertönte eine herrische Stimme mit Cockney-Akzent wie eine Harke, die über Kies kratzt. Doch das Telefon auf Charlenes Schreibtisch klingelte, und so konnte ich nicht hören, was die Stimme antwortete, denn Charlene nahm den Hörer und meldete sich dienstfertig.
    »Natürlich ist das mein gutes Recht«, schrie die erste Stimme nun wieder. »Ich finde es peinlich, dass du auch nur daran gedacht hast. Auf diese Weise werden wir mitschuldig. Mutter wird durchdrehen.«
    »Mach du nur einfach das, worin du gut bist, Alexander, was immer das auch sein mag, und lass mich das tun, worin ich gut bin.« Stuhlbeine schrammten über Bodenfliesen. »Und wenn mich deine Meinung oder die deiner Mutter interessiert, frage ich euch danach.«
    »Ist dir doch völlig egal, was wir denken. Genau darum geht es doch. Ach, ich geb’s auf.«
    Ein großer Mann kam in die Lobby. Seine zornigen Augen funkelten mich an. Er trug eine Zeitung zusammengerollt in der narbigen Hand, als wäre sie ein Stock, mit dem er zuschlagen wollte. An den Knöcheln zeigten sich Hautabschürfungen. Er sah aus, als dächte er darüber nach, mir mit der Zeitung eins überzubraten, und so setzte ich mein bezauberndstes Lächeln auf.
    Der andere Mann hatte offensichtlich zum Telefonhörer gegriffen: »Und sehen Sie zu, dass der Typ mit dem Obdachlosenmagazin den Platz vor unserer Haustür räumt. So etwas schadet dem Geschäft!«
    Er knallte den Hörer auf. Dann kam er in die Lobby: ein Brustkorb wie ein Fass, Hände in den Hosentaschen.
    »Aha.« Malcolm Bailey studierte mich. »Maggie Warren, nehme ich an.« Das war keine Frage, sondern ein Statement. Ein Mann, der es gewohnt war, Recht zu haben. Ein markantes, grausames Gesicht und die Körperhaltung eines Preisboxers.
    Eilig stand ich auf. Ich war so puterrot, dass mein Gesicht sicher einen äußerst unharmonischen Farbakkord mit meinem flammend roten Haar bildete. »Ja. Ja, hallo.« Ich machte einen Schritt nach vorn und streckte ihm die Hand entgegen, wobei meine Zigaretten zu Boden fielen. Der jüngere Mann und ich bückten uns fast gleichzeitig, um sie aufzuheben. Dabei stießen wir mit den Köpfen zusammen.
    »O Gott, entschuldigen Sie bitte.« Verlegen lächelnd rieb ich mir die Stirn.
    Er sagte kein Wort, sondern ließ das Päckchen einfach in meine Hand gleiten. Dabei bemerkte ich, dass seine Nägel vollkommen abgekaut waren.
    »Da haben Sie ja gleich meinen Sohn Alexander kennengelernt«, feixte Malcolm. Er war viel kleiner als der junge Mann, doch seine Überheblichkeit ließ ihn riesenhaft wirken. »Das hier ist sein Haus, wissen Sie.« War es nun Stolz oder Verachtung, was da in seiner Stimme mitschwang? Schwer zu sagen.
    »Alex Bailey.« Alex steckte die zusammengerollte Ausgabe des Daily Express in die Gesäßtasche seiner abgetragenen Jeans und rieb sich erschöpft das Gesicht. Ich hatte das unangenehme Gefühl, dass die Zeitung, die er wegsteckte, ebenjenen

Weitere Kostenlose Bücher