Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
Vom Netzwerk:
Seufzer der Angst entrang sich meinen Lippen, als die Schritte näher kamen.
    »Was wollen Sie?« Meine Stimme hörte sich in der nächtlichen Finsternis klein und kläglich an. »Mein Portemonnaie ist in …«
    Ein Poltern, dann ein lautes Lachen. »Spinnst du?«, fragte eine Stimme. Eine ziemlich betrunkene Stimme.
    In diesem Moment ergriff eine ungeheure Wut von mir Besitz, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Der Mensch, der zu der Stimme gehörte, war gegen etwas gestoßen, das mit lautem Scheppern zu Boden fiel. Fluchen. Ich schob den Mantel zur Seite und stand auf, um die Stehlampe anzuknipsen. Alex stand leicht schwankend in ihrem Lichtkegel. Der Hund lag wie ein Baby in seinen Armen. Die Schale, in der wir immer unsere Schlüssel aufbewahrten, lag auf dem Boden, die Schlüssel drum herum verstreut.
    »Du bist betrunken, Alex.«
    »Bin ich nicht.« Er schwankte weiter. »Nicht besonders jedenfalls.«
    »Was zum Teufel tust du hier? Du hast mich fast zu Tode erschreckt.«
    »Ich wollte meine Sachen holen, wie du verlangt hast.«
    »Was redest du da bloß?« Mein Hirn wand sich verwirrt. »Wie spät ist es überhaupt?«
    Er legte Digby sanft aufs Sofa, und ich merkte, wie er sich mühte, etwas über die Zunge zu bringen. »Ich habe mich gefragt … wäre es dir recht …« Seine schlaftrunkenen Augen blinzelten mich an. »Kann ich heute Nacht hierbleiben?«, murmelte er schließlich.
    »Was?« Ich schrie ihn fast an, während ich mir endgültig den Schlaf aus den Augen rieb.
    »Bitte, Mag. Ich gehe auch sicher morgen früh, ich verspreche es dir. Ich mache dir keinen Ärger.«
    Sprachlos und nur halb bekleidet stand ich da und sah ihn an. Ich fror in der kalten Herbstnacht.
    »Bitte, lass mich hierbleiben. Ich möchte jetzt nicht allein sein«, bat er kläglich. Aber ich wusste, dass er Ärger machen würde. Und ich hatte davon genug. Meine Liebe zu ihm hatte mich in gewisser Weise erschöpft. Es reichte jetzt.
    »Alex, bitte.« Ich drehte mich um und versuchte, mein Herz zu erhärten, das er gebrochen hatte. »Ich begreife das nicht. Du hattest doch haufenweise Zeit, mich zu sehen. Warum jetzt, mitten in der Nacht?« Wir hatten einfach zu viel getrunken, beide. »Ich rufe dir ein Taxi.«
    »Maggie …«
    »Alex …« Ich nahm jeden Funken Willenskraft zusammen, den ich nur aufbieten konnte. Ohne es zu merken, hatte ich die Fäuste geballt. »Alex, bitte, geh einfach.«
    Er sah mich an, und ich erwiderte seinen Blick. Nun war mir klar, was ich auf seinem Gesicht gesehen hatte, als das Licht anging: Es war Hoffnung gewesen … eine Hoffnung, die nun verschwunden war. Jetzt waren seine Augen leer.
    Plötzlich überfiel mich der Hauch einer Ahnung, was in dieser schrecklichen Nacht im Juni geschehen war. Die Erinnerung ließ mich noch entschlossener werden.
    Wir starrten uns etwa eine Minute lang an. Dann berührte ich in einer plötzlichen Anwandlung mit der Hand Alex’ Gesicht. Er roch nach Bier und kalter Novemberluft.
    »Deine Hände sind kalt«, murmelte er. »Immer sind sie kalt.« Einen Augenblick lang schloss er die Augen. Dann aber zog ich die Hand zurück und hob den Stuhl auf, den er umgestoßen hatte. Ich ging nach oben, ohne mich umzudrehen.
    »Du kennst ja den Weg nach draußen, Alex«, sagte ich über die Schulter gewandt. Dann rief ich Digby. Ich hatte das Gefühl, als sei ich eine Schauspielerin und folge irgendwelchen Regieanweisungen. Ich sah mir selbst dabei zu, wie ich dem Mann, den ich mehr liebte als irgendjemanden sonst auf dieser Welt, sagte, er solle mich in Ruhe lassen.
     
    Oben legte ich mich aufs Bett, das wir einmal geteilt hatten, und tat so, als wäre ich die Ruhe selbst. Dabei hielt ich den Atem an, um besser zu hören, ob er nun wirklich ging.
    Ein paar Minuten später fiel die Vordertür ins Schloss. Ich atmete auf. Ich weinte nicht, ich war immer noch viel zu wütend zum Weinen. Stattdessen zündete ich mir eine Zigarette an. Nach einer Minute stand ich auf und ging zum Fenster, als würde ich schlafwandeln. Ich sah Alex zu, wie er die Tür eines mir unbekannten silberfarbenen Autos öffnete, das vermutlich Malcolm gehörte. Ich wusste, es hätte keinen Sinn, ihn in diesem Zustand am Fahren hindern zu wollen. Ich hatte auf brutale Weise lernen müssen, dass Alex immer genau das tat, was er wollte. Im Licht der Laterne sah ich, wie er stehen blieb. Dann rannte er plötzlich zurück über die Straße. Mein Herz blieb fast stehen. Es war also noch nicht vorbei. Natürlich nicht. Es

Weitere Kostenlose Bücher