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Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden

Titel: Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Seeber
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raten?«, murmelte ich und verschloss den Umschlag wieder. »Also …«
    »Also: Ich wollte wissen, ob wir uns als Kinder ähnlich sahen.« Sie lächelte mich freudig an.
    Ich runzelte die Stirn. »Wie wollen Sie das herausfinden?«
    »Nun, ich habe ja die Fotos im Haus Ihres Vaters gesehen. Erinnern Sie sich?«
    »Fay«, meinte ich, während ich meinen Blick auf den Umschlag richtete. »Es tut mir leid, aber das ist doch wirklich recht merkwürdig …«
    »Wieso?« Sie starrte mich an, als wäre ich es, die nicht richtig tickte.
    »Weil wir noch nicht einmal befreundet sind«, antwortete ich.
    »Sie müssen nicht gleich grob werden, Maggie.« Ich hatte ihr hübsches kleines Gesicht noch nie missmutig gesehen. »Ich möchte eben, dass wir Freunde werden. Das ist alles.«
    »Nun, ehrlich gesagt möchte ich das nicht.« Nun war es heraus. »Ich habe bereits eine Menge Freunde, herzlichen Dank. Und ich bin sicher, Sie ebenfalls.« Mit meiner bisherigen Höflichkeit war ich ja schließlich auch nicht weitergekommen.
    »Gut.« Ihre Unterlippe zitterte wie bei einem kleinen Kind.
    »Gut.« Ich stählte mein steinernes Herz und schob ihr den Umschlag in die Hand. »Wir sehen uns.« Dann schaltete ich einen Gang zurück: »Passen Sie auf sich auf.«
    Fay drehte sich wortlos um und rauschte aus dem Pub.
     
    Am Ende rief ich Seb doch nicht an. Die halbe Flasche Wein, die ich getrunken hatte, hatte mir Mut eingeflößt. Entschlossen verscheuchte ich alle Gedanken an Fay und machte mich auf ins Neue, Unbekannte. Schließlich war ich Single, sagte ich mir, und konnte es mir leisten, spontan zu sein. Zwischen den in Pelzmäntel gehüllten Weihnachtsshoppern am Piccadilly Circus hindurch schob ich mich an dem moosgrünen Einkaufstempel von Fortnum and Mason vorbei, wo hinter sternenglitzernden Fenstern dicke Pralinen zu appetitanregenden Hügeln aufgeschüttet waren. Diese neue Spontaneität war etwas Positives, etwas, das ich genießen konnte, jetzt, wo Alex weg war. Die Flaggen der Royal Academy flatterten im Wind, als ich am Kino ankam. Ich entschied, dass ich bleiben würde, wenn Seb erfreut aussähe, sobald er mich erblickte. Wenn nicht, dann würde ich einfach so tun, als wäre ich zufällig vorbeigekommen. Ich war betrunken genug zu glauben, dass ich dies überzeugend würde darstellen können.
    Doch vor dem Academy-Kino verlor ich dann doch die Nerven. Als ich all der Prominenz zusah, die da aus den Wagen stieg, wurde mir klar, dass ich wohl kaum passend angezogen war. Also schlich ich unter den Baldachin eines benachbarten Ladens und zündete mir eine Zigarette an. Es war so kalt, dass ich beinahe mit den Zähnen klappern musste, aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden, was ich tun sollte. Der Wein, der mir so sehr das Herz erwärmt hatte, hatte mittlerweile seine Wirkung verloren.
    Ein wunderschönes dunkelhaariges Mädchen mit Perlenkette und schimmernder Robe warf ihre Arme um einen ausgesprochen schwul aussehenden Typen im Seehundmantel. Küsschen flogen durch die Luft, als sie ihn leidenschaftlich begrüßte.
    »Alberto, Baby!«
    »Darling! Ich bin ja so aufgeregt. Ich habe gehört, du sollst fantastisch sein.«
    »Dummerchen!«, zwitscherte sie. »Das stimmt doch gar nicht.«
    »Ich bin sicher, es ist wahr, mon ange. Du wirst uns den Abend versüßen. Ich habe gehört, Woody Allen ist in Bestform.«
    »Lieber Gott, hoffen wir mal, dass er zumindest nicht in seiner schlechtesten ist.«
    »Und dein Co-Star? Er soll super aussehen, habe ich gehört?« Der Seehundbefellte versetzte dem Mädchen einen verschwörerischen Schubs. »Dieses dunkle Haar und dieser unglaubliche Körperbau.«
    Das Mädchen lief rot an. Schon hatte die breite Tür sich hinter ihnen geschlossen, und es war nur noch Gekicher zu hören. Ich fand mich allein mit meiner Zigarette wieder, an der ich verzweifelt zog. Ach, wäre ich doch nach Hause gegangen, um mich umzuziehen! Nur: Was hätte ich anziehen sollen? Vielleicht meine anderen alten, ausgebeulten Jeans? Ernüchtert blies ich den Rauch aus meinen Nüstern wie ein Drache. Nein, ich konnte nicht bleiben. Ich gehörte nicht hierher.
    Wie aufs Stichwort stieg Seb aus einem schwarzen Mercedes, der eben auf der anderen Straßenseite vorfuhr. Er hatte mich noch nicht gesehen. Ich hielt den Atem an, wenn ich nur wüsste, was ich tun sollte …
    »Maggie.«
    Das Blut gefror mir in den Adern, als Fay leichtfüßig auf mich zutrippelte. Ihr langer Mantel öffnete sich, und ich sah, dass sie exakt

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