Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
gerne. Ich für meinen Teil trank Champagner und grinste dümmlich. Ich sah Seb zu, wie er seine sauer-scharfe Garnelensuppe löffelte und irgendein grünes Curry mit edlem Namen. Ich nahm von den fetten Garnelen nur ein paar Bissen und ließ vor lauter Aufregung ein- oder zweimal die Gabel fallen. Hinter der Tür stand ein glänzendes schwarzes Klavier, und von Zeit zu Zeit setzte sich eine Blondine im Hosenanzug hin und spielte Gershwin-Songs. Es war extrem kitschig, und ich fand es toll. Zwischen den Gängen fragte Seb mich über mein Leben aus, was mir gar nicht passte. Aber ich schaffte es, das Gespräch auf ihn zu lenken, und er prahlte nicht mit dem, was er erreicht hatte.
»Was lesen Sie denn da?«, fragte ich und deutete auf das Buch, das er neben sich auf einen Stuhl gelegt hatte.
»Was?« Er leckte sich die klebrigen Finger ab. »Ach, das. Das ist ein Filmlexikon. Ich bin verrückt nach alten Filmen. Wenn Sie irgendwelche Infos fürs Kreuzworträtsel brauchen, bin ich Ihr Mann.«
»Okay. Wer spielte …« Aber in meinem Kopf war gähnende Leere. Aus irgendeinem Grund fiel mir nur Alex’ Lieblingsfilm ein. »Wer betrog Harold Shand in Rififi am Karfreitag ?«
»Das ist leicht. Derek Thompson, der den Jeff spielte. Jetzt macht er in der Krankenhausserie Casualty mit. Rififi am Karfreitag ist ein guter Film.«
Die Blondine kam zurück. Sie hatte sich die Lippen nachgezogen und fing wieder an zu spielen. Ich erkannte die Melodie schon nach den ersten Noten.
»Maggie?« Seb wedelte mit der Hand vor meinem Gesicht. »Hallo? Wo sind Sie denn mit Ihren Gedanken?«
»Entschuldigung.« Einen Augenblick lang war ich erschrocken. »Meine Mutter hat das Lied immer gespielt. Ich habe es als Kind oft gehört.«
»Ihre Mutter?« Er sah mich fragend an.
Ich wandte den Blick ab und rollte meine Serviette zusammen. »Ja.« Ich wollte nicht unhöflich sein. »Erzählen Sie mir doch von Ihrer Familie.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Meine Mutter ist kürzlich gestorben.«
»O Gott, das tut mir leid.«
»Wir waren … immer zu zweit gewesen.« Offensichtlich hatte auch er keine Lust, darüber zu sprechen. Schnell wechselte ich das Thema.
Doch kurz darauf brachte er mich schon wieder zum Lachen mit seinen Geschichten über den Werbefilm, den er vor kurzem gedreht hatte. Der französische Regisseur hatte beim Dreh das ganze Team angebrüllt: »Jetzt tanzt doch endlich, verdammt noch mal.« Er füllte gerade mein Glas mit dem letzten Rest des Roederer Cristal auf, als mein Handy läutete. Ich fischte es aus der Tasche.
»Verzeihung. Ich hätte es abstellen sollen«, sagte ich, ohne ranzugehen. Aber natürlich hatte ich längst entdeckt, dass es Alex war, der anrief. Mit einem unangenehmen Kribbeln im Bauch fiel mir ein, dass ich vergessen hatte, ihn zurückzurufen.
»Gehen Sie doch ran.« Seb leerte sein Glas. »Es stört mich wirklich nicht.«
»Es ist niemand von Bedeutung.« Ich ließ den Anruf unbeantwortet und auch die Textnachricht, die folgte.
»Möchten Sie noch einen Kaffee, oder soll ich die Rechnung kommen lassen?«
Ein düsterer Schatten legte sich über den ansonsten strahlend schönen Abend. Mir wurde klar, dass ich mir wünschte, er möge noch nicht enden. »So spät noch Kaffee zu trinken, das ist nichts für mich. Ich kann dann nicht einschlafen.«
»Und? Wäre das denn so tragisch?« Er lächelte mich an, und ich stellte fest, dass er wunderschöne Zähne hatte. Der Magen krampfte sich mir zusammen, als ich merkte, was ich da fühlte - heftiges Verlangen.
Die Blondine spielte Let’s Call the Whole Thing Off , als Seb aufstand, um die Rechnung zu begleichen. Ich starrte in die Rückseite eines blank polierten Löffels, um kurz mein Aussehen zu überprüfen. Der Champagner hatte meine Wangen rosig gefärbt. Das Haar leicht zerzaust und die Augen leuchtend vor Aufregung und - anders konnte man das wohl nicht nennen - Lust. So einen schönen Abend hatte ich nicht mehr gehabt seit …
Seb kam zurück. Er lächelte mich an, und ich hatte das Gefühl, seine Gedanken gelesen zu haben. Wieder meldete sich das Handy. Alex hatte eine neue Textnachricht geschickt, die ich dieses Mal las.
Ein einziges Wort:
Nutte.
Nur so viel. Brutal und grausam.
Nur zur Sicherheit sah ich noch einmal auf die Nummer, von der die Nachricht kam. Es war nicht Alex’ Nummer. Ich zögerte, als der Kellner Seb den Kreditkartenleser brachte. Dann rief ich beherzt zurück. Doch ich landete in einer Mailbox. Seb
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