Nun ruhe sanft und schlaf in Frieden
keineswegs zu Ende. Gerade als ich in ein Meeting mit Renee und ihrer Stylistin ging, rief Susan von Gars Pflegeheim an.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte ich ängstlich.
»Ja, alles okay, Liebes. Ihrer Oma geht’s glänzend, nur …«
Renee klopfte hinter dem Fenster des Konferenzsaals auffordernd auf ihre Cartier-Uhr und sah mich an.
»Es tut mir leid, Susan, aber könnten wir uns vielleicht später unterhalten?«, unterbrach ich sie in entschuldigendem Ton. »Ich komme gleich nach der Arbeit vorbei. Sind Sie dann noch da?«
»Natürlich, Liebes. Sie dürfen Ihre Berühmtheiten nicht warten lassen, wie?«
Ich versuchte, zustimmend zu lachen, aber meine Schuldgefühle waren immer noch beträchtlich. Schließlich hatte ich Gar letzte Woche nicht besucht. Susans lockere Bemerkung bewirkte nur, dass ich mich noch schlechter fühlte.
Seit ich mit dreizehn meine Mutter verloren hatte, war Gar für mich ein Heiligtum gewesen, das mir Ruhe und Frieden schenkte. Ich vermisste sie, hatte sie mich doch mit erzogen. Ein Teil meiner selbst fürchtete den leeren Blick, wenn ihre Augen über mich glitten, das unsichere Lächeln, das sich dann manchmal auf ihren Lippen zeigte. Ich musste mich bewusst daran erinnern, dass meine Großmutter immer noch da war, irgendwo tief da drinnen. Dass sie im Herzen unter all den Schichten immer noch dieselbe war wie eine kleine Zwiebel unter der braunen Schale. Wenn ich in der Stille ihres Zimmers bei ihr saß, war da immer noch ein wenig von dem Frieden, den sie ausstrahlte. Daher war es für uns beide so wichtig, dass ich diese Besuche beibehielt.
Nach der Arbeit regnete es immer noch. Ich eilte während der Rushhour durch die Menschenmenge zu meiner Wohnung, wo ich das Auto holen wollte. Ich hoffte nur, dass der Maler, den ich beauftragt hatte, fertig geworden war.
Die Schrift auf meiner Tür war verschwunden, doch als ich den Schlüssel ins Schloss schob, merkte ich, dass ich immer noch ihren Schatten sah. Die Farbe roch so stark, dass ich schleunigst hineinging und die Tür hinter mir ins Schloss fallen ließ.
Ich schnappte mir die Autoschlüssel aus der Schale und versuchte dabei, nicht auf das Telefon zu sehen. Der Anrufbeantworter blinkte nicht. Dass Seb zwar die Polizei, aber nicht mich angerufen hatte, seit wir uns gestern getrennt hatten, verstärkte nur das Gefühl der Unzufriedenheit mit mir selbst. Ich sollte mir wirklich keine Sorgen machen, ob irgendein Typ, den ich gerade erst kennengelernt hatte, mich anrief oder nicht. Ich wollte stark, frei und Single sein. Cool nickte ich meinem Spiegelbild zu. Wie die starke, freie Singlefrau es täte, die ich ja schließlich war. Das Telefon läutete. Ich sprang es an wie der Tiger die Beute.
»Hallo?«
»Meine Güte, Maggie. Sie sind ja richtig atemlos.«
Bittere Enttäuschung und ein deutliches Gefühl der Beunruhigung überkamen mich, als ich die Stimme erkannte.
»Woher haben Sie diese Nummer?«
Fay lachte heiser. »Immer sind Sie so misstrauisch, Maggie. Also ehrlich! Sie haben mir die Nummer selbst gegeben, als wir uns vor kurzem trafen. Erinnern Sie sich nicht?«
Angestrengt dachte ich nach. »Nein, ich erinnere mich nicht.«
»Wie auch immer. Ich will Sie auch gar nicht lange aufhalten. Unser kleiner Zusammenstoß tut mir leid. Ich habe Sie bei Love All gar nicht gesehen. Gehen Sie mir etwa aus dem Weg?«
»Ach.« Ich dachte an Sebs Lippen, die die meinen berührten, und wurde rot. »Ich bin gar nicht ins Kino gegangen. Es kam etwas … ähm … dazwischen.« Ich musste grinsen. O ja, es war tatsächlich etwas dazwischengekommen.
»Es war richtig gut. Der Film, meine ich. Aber ist ja auch egal. Ich habe Sie nur angerufen, um Ihnen zu sagen, dass ich Ihnen verzeihe und dass wir nächsten Montag unser erstes Treffen haben.«
Aus irgendeinem Grund tat mir plötzlich die Hand weh.
»Möchten Sie kommen? Ich jedenfalls fände es gut.«
Erst da merkte ich, dass ich mir den Schlüssel so tief ins Fleisch gepresst hatte, dass sie ganz rot war. »Welches Treffen?«
»Das Treffen der Überlebenden. Ich fände es toll, wenn Sie kämen.«
»Fay, ich möchte wirklich nicht grob sein, aber ich dachte, ich hätte klar gesagt, dass ich daran kein Interesse habe.«
»Oh, ich weiß, dass Sie das gesagt haben, aber es hätte ja sein können, dass Sie Ihre Meinung geändert haben.«
Ich warf einen Blick auf die Uhr und gab mir einen Ruck. »Ich muss jetzt gehen, Fay. Meine Großmutter erwartet mich.«
»Natürlich. Aber
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